Rezension

Die vielen Gesichter einer Frau

Quasikristalle - Eva Menasse

Quasikristalle
von Eva Menasse

Bewertet mit 4 Sternen

Um was geht es in diesem Roman? – Diese Frage lässt sich für Eva Menasses Roman „Quasikristalle“ nicht so leicht beantworten. Auf den ersten Blick wirkt das Buch wie eine Kurzgeschichtensammlung – denn jedes der 13 Kapitel ist eine in sich abgeschlossene Episode und wird aus dem Blickwinkel einer anderen Figur erzählt. Bald merkt man jedoch, dass all diese Sichtweisen sich um die Protagonistin Xane Mole drehen. Im Endeffekt wird in Quasikristalle ihr Leben erzählt: von der Kindheit bis ins Alter – wir erleben Xane in der Pubertät, als junge Studentin, als rebellische Boheme-Künstlerin, als Frau, die unbedingt ein Kind haben möchte und als Chefin einer erfolgreichen Werbefirma. Nur wird eben Xanes Leben immer aus der Perspektive einer ihrer Weggefährten erzählt: von ihrer besten Freundin in Jugendjahren, ihrem Vermieter, ihrer Ärztin oder ihrer Stieftochter. Nur im zentralen siebten Kapitel kommt Xane als Ich-Erzählerin selbst zu Wort. Dabei streift Eva Menasse etliche Themen: Holocaust-Vergangenheit, Kindesmisshandlung, unerfüllter Kinderwunsch oder Fremdgehen. Witz, Ironie, Weisheit, Leichtigkeit und Melancholie halten sich die Waage. Trotzdem liegt die Raffinesse und die Besonderheit dieses Romans in seiner Konstruktion.  Denn Xane bekommt durch diese Erzählweise sehr viele Gesichter. Ihre Ärztin hält Xane eher für kontrolliert und rational, ihre Kindheitsfreundin Sally hält sie für mondän, ihr Angsteller Martin für herrschsüchtig und unfähig. Eva Menasse beweist sich dabei als exzellente Menschenbeobachterin. Ihre Charaktere sind sehr lebendig, die Sprache ist geistreich mit viel Ironie und Wiener Schmäh. In der Summe eine wirklich unterhaltsame Lektüre, die auch mal ein bisschen experimentierfreudiger und anders ist.