Rezension

Die Vielfalt der Perspektiven und Geschichten ist die Stärke dieses Buchs

Inside Duisburg-Marxloh - Franz Voll

Inside Duisburg-Marxloh
von Franz Voll

Bewertet mit 5 Sternen

Duisburg-Marxloh wurde verschiedentlich als No-go-Area bezeichnet, als rechtsfreier Raum, als Gebiet, in dem man sich nicht sicher bewegen kann. Franz Voll belegt, dass diejenigen, welche die härtesten Urteile über Marxloh treffen, oft nur mal kurz oder gar nicht dort waren. Voll hat längere Zeit dort gelebt, um sich ein Bild zu machen, das dem Duisburger Stadtteil und den dort lebenden Menschen gerecht wird. In »Inside Duisburg-Marxloh« schildert er seine Begegnungen und gibt seine Gespräche wieder.

Voll hat mit Menschen mit verschiedenem gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund und unterschiedlichen Alters gesprochen. Er lässt alte Marxloher zu Wort kommen, die sich in ihrem Stadtteil nicht mehr wohl fühlen, und zeigt, wie Menschen verschiedener Nationalitäten miteinander feiern; er spricht mit Politikern und dem früheren Präses der evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider, u. a. über soziale Probleme der Region. Vertreter von Polizei und Feuerwehr  beschreiben, dass die Lage keineswegs so problematisch ist, wie sie von außen manchmal dargestellt wird. Voll spricht mit Bulgaren, die auf dem »Arbeiterstrich« täglich ihre Arbeitskraft feilbieten, und mit Menschen, die sich sozial engagieren bzw. bei der Bewältigung von Konflikten mitarbeiten. Er zeigt alte und neue Strukturen des Stadtteils, etwa die »Hochzeitsmeile« in der Weseler Straße. Er sammelt Stimmen von ehemaligen Schülern eines Gymnasiums, auf dem 80 % der Schüler einen Migrationshintergrund haben, berichtet über friedliches Zusammenleben der Religionen. Er erzählt von Kriminalität durch Südosteuropäer und von einem fröhlichen Kinderfest, bei dem sich unterschiedliche Gruppierungen und Menschen engagieren.

Die Leserinnen und Leser bekommen in diesem Buch ein vielfältiges Bild von Duisburg-Marxloh – sie werden mit Problemen konfrontiert und lesen von gelungenem Miteinander. Die Vielfalt der Perspektiven und Geschichten ist die Stärke dieses Buchs, das zeigt, wie falsch populistische Schwarz-Weiß-Malerei ist, und zu dem Schluss kommt: Marxloh ist keine No-go-Area!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 08. Mai 2017 um 00:28

Mehr davon! Warum aber wird Voll nicht angefeindet wegen seines Titels Inside xy? Wie Konstantin Schreiber von Inside Islam? Seltsam sind die Wege des Herrn, aber noch seltsamer die Wege der Ignoranten.

Steve Kaminski kommentierte am 08. Mai 2017 um 08:56

Vielleicht ist es unproblematischer, aus dem Inneren eines Stadtteils als aus dem Inneren einer Religion zu berichten. - Voll lässt zum großen Teil die Menschen aus Marxloh zu Wort kommen, ohne zu kommentieren.

Gestern sah ich irgendwo einen Redeausschnitt von einem AfDler, der auch mit dem Finger auf Marxloh zeigte, ich glaube auch von Marxloh als No-go-Area sprach; es wäre interessant zu wissen, ob dieser Mann wirklich dort war.

wandagreen kommentierte am 08. Mai 2017 um 09:13

Höchstwahrscheinlich nicht. Oder nur von Limousine aus.

Steve Kaminski kommentierte am 08. Mai 2017 um 10:52

Ja, Limousine, das kann gut sein. Oder er war mit dem Finger auf der Landkarte da.