Rezension

Die Vorgeschichte der Lyra Belacqua

His Dark Materials: Über den wilden Fluss
von Philip Pullman

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Gasthaus zur Forelle ist immer etwas zu tun und Malcolm Polsteads Eltern sind auf die Hilfe ihres Sohnes angewiesen. Malcolm ist ein liebenswürdiger, intelligenter Junge, der später gern Wissenschaftler wäre und der mit seinem Kanu gern bis aufs Meer paddeln würde. Das Gasthaus liegt im Oxford eines fantastischen Brytanniens. In Malcolms Welt hat jeder Mensch einen persönlichen Daemon in Gestalt eines Tieres, der ihn prägt und unterstützt. An Malcolms Daemon Asta lässt sich gut erkennen, dass der Junge noch nicht erwachsen ist; denn Asta kann noch verschiedene Gestalten annehmen. Bei einem Erwachsenen wird das nicht mehr möglich sein.

Im Gasthaus hat Malcolm sich nach den Wünschen seiner Eltern zu richten und verlässt sich bisher auf deren Menschenkenntnis. Für einen Elfjährigen handelt der Junge jedoch außerhalb seines Elternhauses bemerkenswert unabhängig und selbstständig. Er geht im Kloster Godstow aus und ein (zu dem er mit seinem Kanu „La Belle Sauvage“ paddelt), erledigt Aufträge für die Klosterschwestern und sperrt die Ohren auf, wann immer es etwas von den Nonnen zu lernen gibt. Als im Kloster ein Baby untergebracht wird, als drei geheimnisvolle Männer Malcolm über das Kloster auszufragen beginnen und als an Malcolms Schule der geheime Alexanderbund eine beängstigende Macht an sich reißt, beginnt für Malcolm ein Abenteuer im Kampf gegen das Böse und gegen ein Jahrhunderthochwasser, für das er allen gesunden Menschenverstand brauchen wird, den der im Gasthaus zur Forelle bisher entwickeln konnte. Gemeinsam mit dem Küchenmädchen Alice rettet Malcom das Baby Lyra und sorgt hier mit der entscheidenden Idee für die Grundlage, auf der die Trilogie „His Dark Materials“ erst entstehen konnte (die 10 Jahre später spielt). Bereits Baby Lyra hat hier ihren Dämon an ihrer Seite.

Als Leser der Dark-Materials-Trilogie ist man durch das Zusammenleben von Mensch und Daemon sofort wieder mitten in der Handlung und erfährt allerlei Wissenswertes über das Alethiometer, dessen Arbeitsweise bis zur Handlung dieses Bandes selbst zwölf Wissenschaftler nicht entschlüsseln konnten. Gefesselt hat mich außer dem puren Abenteuer im Kanu besonders Malcolms Entwicklung. Er wird förmlich aus der Idylle des Gasthauses katapultiert und muss lernen, andere Menschen ohne den Rat seiner Eltern selbst zu beurteilen. Besonders schwer muss es für ihn gewesen sein, dass er unter dem Einfluss des Alexanderbundes sogar Gleichaltrigen nicht mehr trauen kann. Alice wächst auch für Malcolm überraschend während der Rettungsaktion über sich hinaus.

Philip Pullman erzählt in leicht verschnörkeltem Stil und mit bemerkenswerter Liebe zum Detail. Sein Fantasy-Abenteuer bietet Erwachsenen wie Kindern Identifikationsmöglichkeiten, das Geheimrezept guter Bücher, damit sie von Lesern auf der ganzen Welt verstanden werden. Einzig die Altersempfehlung des Verlags erscheint mir etwas hoch angesetzt, bereits lesegeübten Zwölfjährigen, die 500 Seiten bewältigen oder die Trilogie kennen, empfehle ich das Buch mit Überzeugung.