Rezension

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Leseereignis und absolutes MUSS für jeden Buchliebhaber

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Joël Dicker

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
von Joël Dicker

Halten Sie die Liebe in Ehren, Marcus. Machen Sie sie zu Ihrer schönsten Errungenschaft, zu ihrem einzigen Ziel. Nach den Menschen kommen andere Menschen. Nach den Büchern kommen andere Bücher. Nach dem Ruhm kommt anderer Ruhm. Nach dem Geld kommt anderes Geld. Aber nach der Liebe, Marcus, nach der Liebe bleibt nur das Salz der Tränen.

Inhalt

Der Schriftsteller Marcus Goldmann leidet nach dem überragenden Erfolg seines Debütromans unter einer Schreibblockade. Sein alter Freund, Mentor und ebenfalls Autor Harry Quebert lädt ihn zu sich nach Aurora ein, um ihm neuen Auftrieb für den Nachfolgeroman zu verschaffen. Doch leider bleibt dieses Unterfangen erfolglos und Marcus reist ohne neue Ideen ab, um nur kurze Zeit später wieder in das Städtchen an der Ostküste zurück zu kehren. Harry ist in Haft, nachdem die Leiche eines seit 33 Jahren vermissten Mädchens nebst dem Original-Manuskript seines Buchs "Der Ursprung des Übels" in seinem Garten gefunden wurde. Als er auch noch zugibt, dass er mit der damals 15jährigen Nola ein Verhältnis hatte, ist der Skandal perfekt. Nur Marcus glaubt an seine Unschuld und setzt alles daran diese zu beweisen. Aber nicht nur das, zerbröckelt durch seine Ermittlungsarbeit auch seine Schreibblockade und er schreibt ein Buch über Harry, eine unmögliche Liebe und ein Lügengespinst, welches nicht nur Marcus, sondern auch den Leser immer wieder mit überraschenden Wendungen konfrontiert. Denn im Fall von Harry Quebert ist nichts so, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Meine Meinung

Harry erteilt Marcus 31 Ratschläge für Schriftsteller, Boxer und Menschen. Jeder Ratschlag steht zu Beginn eines neuen Kapitels und auch wenn es etwas ungewöhnlich ist, so beginnt das Buch mit dem 31. Kapitel und bringt dem Leser in absteigender Reihenfolge die Ratschläge näher. Auch ich möchte daher auf ungewöhnliche Weise meine Meinung kundtun und starte mit dem Nachwort. Harry sagt in diesem zu Marcus:

Ein gutes Buch lässt sich nicht allein an seinen letzten Worten bemessen, sondern an der Gesamtwirkung aller vorausgegangen Worte, Marcus. Ungefähr eine halbe Sekunde nachdem der Leser mit ihrem Buch fertig ist, nachdem er das letzte Wort gelesen hat, muss er spüren, wie ihn ein starkes Gefühl überkommt. Er muss einen Moment lang an nichts anderes denken als an das, was er gerade gelesen hat, und den Einband mit einem Lächeln, aber auch mit einer Spur von Traurigkeit betrachten, weil ihm die Figuren fehlen werden. Ein gutes Buch, Marcus, ist ein Buch, bei dem man bedauert, dass man es ausgelesen hat.

Diese Worte geben genau das wieder, was ich empfunden habe, als ich das Buch ausgelesen hatte. Denn auch ich habe den Einband mit einem Lächeln betrachtet und ein Spur von Traurigkeit empfunden, als ich diesen großartigen Roman ausgelesen hatte. Auch ich habe gemerkt, dass mir die Figuren fehlen werden und auch ich habe Bedauern verspürt, dass ich es nun nicht mehr allabendlich weiterlesen kann.

Ich muss gestehen, dass ich dicke Bücher mit über 700 Seiten eigentlich nicht gerne lese. Zu oft wurde ich enttäuscht, weil es den Autoren nicht gelang, mich über einen längeren Zeitraum an das Geschehen zu fesseln. Joel Dicker schafft es jedoch, dass man die erste Seite liest und dann nicht mehr aufhören kann. Es gab nicht eine einzige Stelle in der Geschichte, die langatmig, zäh oder einschläfernd erzählt war. Ganz im Gegenteil. Der Autor hat es bis zu den letzten Seiten immer wieder geschafft, dem Leser neue Wendungen und neue Handlungsstränge zu präsentieren, die an sein Buch gefesselt haben. Zum Ende hin gibt es zwar einen Logikfehler, aber dieser sei ihm mehr als verziehen, weil es nur den wenigsten Autoren gelingt, mich so sehr an ein Buch zu binden, wie er es geschafft hat.

Marcus Goldmann vollzieht in der Geschichte eine Wandlung, die ihn menschlich und auch schriftstellerisch wachsen lässt. Harry Quebert ist es, der für ihn Freund, Mentor und Bezugsperson ist. Ein Mensch, zu dem er immer aufgeblickt hat und der ihm mit seinen Ratschlägen eine große Hilfe war. Nun kann er sich dafür erkenntlich zeigen und so nimmt er sofort die Ermittlungen auf, um Harry in der für ihn schwersten Zeit zur Seite zu stehen. Aber nicht nur das, erhält er durch die Geschichte, die vor 33 Jahren geschah, auch Antrieb, um sein neues Buch zu schreiben. Und so schreibt er ein Buch über eine Liebe, die nicht sein darf. Über Lügen, die wie ein Kartenhaus nach und nach in sich zusammen fallen. Über Obsessionen, hohe Erwartungen, Verzweiflung - über das kleine Städtchen Aurora, in dem die Ereignisse wie ein Tornado hinweg fegten und ein Bild der Zerstörung hinterlassen haben.

Fazit

Joel Dicker hat ein großartiges Buch geschrieben, welches ich jedem empfehlen kann, der Bücher liebt. Es ist gespickt mit wunderbaren Literaturzitaten, mit der Geschichte einer Liebe, die nie gelebt werden durfte und wartet mit einer Spannung auf, die manch ein Krimi nicht aufbieten kann. Mein Tipp: Unbedingt lesen!