Rezension

"Dies ist kein Albtraum, dies ist ein Todeskampf"

Der Goldene Handschuh
von Heinz Strunk

Bewertet mit 5 Sternen

Erschreckend. Fatalistisch. Hass in jedem Satz. Ein Buch über das Böse im Menschen.

Dieses Buch ist die Hölle. Geschildert wird die Lebensgeschichte des vierfachen Frauenmörders Fritz Honka, der Hamburg in den 70er Jahren mit einer Mordserie erschütterte.

Das Thema des Buches ist: Erniedrigung, Erniedrigung, Erniedrigung. Die völlige Verwahrlosung des Menschen. Es gibt absolut keine Hoffnung in diesem Buch. Der Mensch ist nicht mehr als eine deformierte Biomasse.

Heinz Strunk erspart dem Leser nichts, man kommt Fritz Honka sehr nah, man verspürt Abscheu, aber auch Mitleid mit dieser Kreatur, die Zeitlebens von allen als letzter Dreck behandelt wurde.

Psychogramm und Milieustudie

Dieses Buch ist das Psychogramm eines Mörders, aber auch eine schonungslose Milieustudie, die die Alkoholiker-Kneipe „Der goldene Handschuh“ beschreibt, in der Honka seine Opfer kennenlernte.

Die Figuren in dieser Absturz-Kneipe heißen „Leiche, Soldaten-Norbert, Ritzen-Schorsch, Glatzen-Dieter, Nasen-Erni, Bulgaren-Harry, Doornkaat-Willy, Fanta-Rolf“. Im hinteren Teil der Kneipe sitzen die „Verschimmelten“.

Honkas verwahrloste Wohnung, in der er auch die zerstückelten Leichen seiner Opfer versteckt hielt, stinkt bestialisch, den Gestank versuchte er mit Unmengen an Fichtennadelduftsprays und Putzsteinen zu übertönen. Besuchern gegenüber erklärte er als Entschuldigung, die Griechen im Untergeschoss würden so komisch kochen, daher der unangenehme Geruch.

Jeder Satz wie ein Schlag ins Gesicht

Heinz Strunk hat sich akribisch durch die Akten zu dem Fall gearbeitet. Das Ergebnis war ein gut 800 Seiten starker Roman, den er dann stark gekürzt hat, um nur noch „gute Sätze“ drin zu haben, wie er in einem Interview erläuterte.

Das ist ihm wirklich gelungen. Jeder Satz ist ein Kantenschlag für den Leser, dem keine Verschnaufpause gegönnt wird.

Zwischen „Schmiersuff“ und „Verblendschnäpsen“ werden Menschen zu „ausgelaugtem, zerschundenem Menschenfleisch“, zu „Zombies, veridioteten Witzwesen“, zu „Fickfehlern“, zu „Pischgroschen“. Und das sind noch die harmloseren Beschreibungen.

Weh tut auch, dass Strunk Fritz Honka stets „Fiete“ nennt, also immer dessen Spitznamen verwendet, wodurch kaum noch Distanz möglich ist. Mein Kopf fühlte sich nach dem Lesen völlig vergiftet an, da er die krankhaften und wahnhaften Gedanken Honkas fast ungefiltert mitdenken musste.

Egal ob reich oder arm - überall herrscht der Hass

Parallel zur Geschichte Honkas wird noch das Treiben einer wohlhabenden Reederei-Familie erzählt. Im Grunde das gleiche Elend, auch hier herrscht der grenzenlose Menschenhass, die Lust am Erniedrigen, die emotionale Verwahrlosung. 

Fazit

Ich bin froh, dieses Buch endlich in die Ecke knallen zu können. Es hat mich angeekelt und wirklich an Grenzen geführt. Ich wollte dieses Buch mehrmals abbrechen, konnte es aber nicht, dafür hat es mich zu sehr in seinen Bann geschlagen, so stark sogar, wie es selten geschieht.

Welches Buch schafft es schon, einen noch tagelang nach dem Lesen weiterzubeschäftigen? Gute Literatur soll einen ja nicht einlullen, sie muss einen mitunter auch aufwühlen.

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, sagte Kafka einst.

„Der goldene Handschuh“ ist in dem Sinne nicht bloß eine Axt, sondern ein Granaten-Dauerbeschuss.  

"Das ist alles, was von uns eines Tages übrigbleibt, sinnlose, blutende Löcher und Flecken," um mit einer Beobachtung Fietes zu schließen.