Rezension

Dinge, die ich ohne dich sehe

Mein Leben oder ein Haufen unvollkommener Momente
von Peter Bognanni

Bewertet mit 4.5 Sternen

Monatelang halten Tess und Jonah Kontakt, indem sie sich Textnachrichten schicken – dabei haben sie sich nur ein einziges Mal gesehen. Trotzdem besteht eine Verbindung zwischen ihnen, da ist Tess sich sicher – und Jonahs Nachrichten lassen dies auch bei ihm vermuten. Der Schock ist deswegen umso größer, als sich Beileidsbekundungen auf Jonahs Facebook-Seite häufen und Tess feststellen muss, dass Jonah Selbstmord begangen hat und die Person, mit der sie die meiste Zeit Kontakt hatte, gar nicht er selbst war. Von nun an beginnt für Tess ein schmerzhafter Prozess des Aufarbeitens, der ironischerweise viel mit Beerdigungen zu tun hat.

Erzählt aus der Perspektive eines Teenagers ist dieser Roman in einer sehr leichten Sprache gehalten, vermag es jedoch, gleichzeitig eine unglaubliche Tiefgründigkeit auszudrücken. Tess‘ Wege der Aufarbeitung mögen ungewöhnlich scheinen, aber die ganze Situation ist natürlich auch ungewöhnlich – wenn auch durchaus nicht unrealistisch. Die Personen, die Tess begleiten (ihr Vater – ein bisher erfolgloser Start-up-Bestattungsunternehmer, Grace – Öko-Bestatterin, Daniel – ein neudazugekommener Freund und Verbündeter) leiden alle auf ihre eigene Weise und verarbeiten eigene Schicksale und Vergangenheiten.

Depressionen und auch Selbstmord bei Jugendlichen sind nichts Ungewöhnliches und deswegen ist es umso wichtiger, dass es auch in Büchern thematisiert wird. Auch der reine Online-Kontakt mit anderen Personen wird immer gewöhnlicher. Was mir gut gefällt, ist, dass hier der Fokus nicht darauf liegt, vor beiden Dingen zu warnen, sondern, ganz beiläufig, die Konsequenzen aufzuzeigen, ohne, dass es das Hauptthema des Buches ist. Klar, ist es seltsam, nur online zu schreiben -  aber immerhin hatte Tess Jonah tatsächlich zuerst im echten Leben kennengelernt und durch die örtliche Distanz waren beide eben gezwungen, miteinander auf diese Weise zu kommunizieren. (Dass in Wahrheit teilweise jemand anderes geschrieben hat, konnte Tess ja wirklich nicht ahnen).

Das Buch ist gespickt mit einem Wechsel aus tief emotionalen Situationen, der mehrmaligen Konfrontation mit dem Tod, den Gedanken darüber, warum man überhaupt Beerdigungen braucht und trotz der offenkundig traurigen Themen doch einer Reihe humorvoller Situationen. Meiner Meinung nach ein gelungenes, rundes Buch, dass mit seiner Tiefe überzeugen kann.