Rezension

Dissertationsstil. Verkopft.

Die autoritäre Revolte - Volker Weiß

Die autoritäre Revolte
von Volker Weiß

Bewertet mit 4 Sternen

Wissenschaftlich brilliant, ja das schon, jedenfalls von der Beweisführung her, nicht vom Stil. Das keineswegs. Dieses Buch kann ich nur sehr hartnäckigen Lesern oder Studenten empfehlen.

Das vorgenannte Sachbuch über die Neue Rechte ist als wissenschaftlicher Text abgefasst, im Unistil, Text, den man im Hörsaal verpasst bekommt. Das sollte man wissen, bevor man an seine Lektüre geht, sonst könnte diese bitter werden.

Im Wesentlichen geht es darum, wes Geistes Kind die „Neue Rechte“ ist.

Gleichzeitig wird erläutert, mit welchen geistigen und politischen Mitteln rechte gesellschaftliche Gruppen, eine „Konservative Revolution“ auf den Weg bringen wollen. Dazu gehört natürlich auch die Feststellung wie weit der geistige Nährboden bereits bereitet ist. Das Wort „konservativ“ ist von diesen Gruppierungen besetzt und umgedeutet worden! Genau so ist es dem dem Bürgertum noch wohlvertrauten Begriff „Abendland“ ergangen. Wenn zwei von demselben sprechen, ist es eben nicht mehr dasselbe. Diese Begriffe werden samt und sonders von der Rechten umgedeutet.

Um zu zeigen, wes Geistes Kind diese Gruppierung(en) sind, schlägt der Autor einen langen Weg in die Vergangenheit ein. Denn es sind zum Teil auch die Denker, die den Nationalsozialismus theoretisch unterfüttert haben, die den Neuen Rechten mit als Legitimierung ihrer Auffassungen dienen. Der Zeigestock Volker Weißens zeigt bis in die Antike. 

Der Gewinn aus der Lektüre von Volker Weißens Buch besteht darin, dass man die einschlägigen Vordenker der äussersten Rechten kennenlernt samt den Medien, in denen deren Gedankengut transportiert wird. Man erfährt, wie weit der Prozeß der Radikalisierung schon gegangen ist und wie weit er in ganz Europa Verbreitung gefunden hat. Man lernt die Art ihres Denkes kennen sowie ihre Feindbilder. Zwischen absolutem Feindbild und politisch-konkretem Feind wird unterschieden, die absolute Feindschaft bestünde gegenüber dem Liberalismus des Westens.

Diese Sachverhalte werden sehr verkopft an den Leser herangetragen.

Wann kommt ein wissenschaftlicher Text beim Leser an? Wenn er gut ist. Und gut ist er, wenn er motivierend ist. Motivierend zur Neugier, zum Erkenntnisgewinn, zum Weiterlesen!

Volker Weiß Text ist nicht motivierend. Sicher, es sind komplexe Inhalte, die vermittelt werden müssen, doch Weiß bevorzugter Nominalstil transportiert zu viel Inhalt auf einmal in einem einzigen Satz. So muss der Leser ständig innehalten und ausführliche, den Nomen vorgelagerte Attribute geistig zu Relativsätzen umformen. Er muss aus dem einen, angebotenen langen Satz mit vielerlei Informationen drei oder vier Sätze machen, damit er dahinter kommt, was eigentlich gemeint ist. Mit Nominalstil ist eine Art zu Schreiben gemeint, bei der übermäßig viele Substantive verwendet werden. Jeder, der einmal einen Gesetzestext gelesen hat, kennt ihn! Exzessiver Nominalstil ist ein weitverbreitetes Übel in der Wissenschaftlichen Literatur. Sein Vorteil ist seine Korrektheit, sein Nachteil seine Schwerlesbarkeit. Einen schwierigen Sachverhalt jedoch auf einfache Art zu vermitteln, das ist die Kunst, die man braucht, um auch ausserhalb des Hörsaals verstanden zu werden!

Die Vorgehensweise von Volker Weiß ist wissenschaftlich und vollkommen korrekt. Alle seine Aussagen sind belegt und datiert. Es gibt ein umfangreiches Literaturverzeichnis und entsprechende Fußnoten.

Fazit: Wenn man die Lektüre wissenschaftlicher Text gewöhnt ist, zieht man durchaus einen Erkenntnisgewinn aus dem Buch. Was man nicht erfährt, ist, welche Art von Menschen hinter der „Neuen Rechten“ stecken, was sie für eine Biographie haben und was sie antreibt.

Kategorie: Sachbuch
Verlag: Klett-Cotta, 2017

 

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 04. April 2017 um 09:42

Ich vermute, solche Leute denken so, die merken das nicht mehr. Ich wundere mich immer wieder auch bei jungen WissenschaftlerInnen, wie umständlich die Sachverhalte ausdrücken - entfernt von einer Alltagssprache, die (in diesen Fällen) dasselbe leisten könnte.

EIne gute Rezi. - Speit, Bürgerliche Scharfmacher. Deutschlands neue rechte Mitte - von AfD bis Pegida (Orell Füssli), zielt wohl mehr aufs Aktuelle, weniger auf die geistigen Grundlagen (nach meinem ersten Eindruck).

wandagreen kommentierte am 04. April 2017 um 10:53

Thematisch ist das Buch von Franz Leopold Andreas Speit sicher eine tolle Ergänzung. Ich schreib es mal in meine Wunschbücherliste.