Rezension

Doppel-Mord im Doppel-Krimi

Die Morde von Pye Hall - Anthony Horowitz

Die Morde von Pye Hall
von Anthony Horowitz

Bewertet mit 4 Sternen

Die „Morde von Pye Hall“ sind ein raffiniertes Doppelwerk – zwei Krimis in einem. Die Konstruktion geht so: Die Lektorin des neuesten Atticus-Pünd-Krimis gewährt uns Einblick in das Manuskript, das ein herrlicher englischer Landschaftskrimi in den Farben von Agatha Christie ist. Alle Verdächtigen wohnen auf engstem Raum im Dorf neben dem Herrenhaus Pye Hall. Atticus Pünd ermittelt, als wäre er das uneheliche Kind von Hercule Poirot und Miss Marple, um nach etlichen Kapiteln zu verkünden: „ich weiß, wer es getan hat.“ Das nützt uns Lesern aber nichts, denn das Manuskript endet kurz vor Schluss, so dass sich allein schon die fehlende Lösung des Manuskripts Spannung erzeugt. Schnell soll die Lektorin uns das Ende des Romans beschaffen, doch das geht nicht: Dessen Autor Alan Conway ist tot. Selbstmord. Selbstmord? Genau​ ...

Unsere Lektorin Susan Ryeland ermittelt - quasi in unserem Interesse als Leser. An den Selbstmord glaubt sie nicht, sondern hält es vielmehr für wahrscheinlich, dass Conway ermordet worden ist – und zwar wegen der „Morde von Pye Hall“. Deshalb sind die fehlenden Seiten des Manuskripts der Schlüssel zum Fall Conway. Und gleichzeitig per se der Schlüssel zur Manuskripthandlung.

Das ist wirklich gelungen: Die Spannung auf das Ende wird sozusagen verdoppelt. Außerdem versuch man nun, die Rätsel, Anspielungen und Geheimnisse des Manuskripts nachträglich zu entschlüsseln und nicht nur innertextlich zu ergründen, sondern auch auf die äußere Romanhandlung anzuwenden. Raffiniert! Viel mehr darf hier nicht verraten werden.

Warum gibt es dann einen halben Punkt Abzug? Weil der Inselverlag zwar ein tolles Buch mit gelungener Übersetzung liefert, aber die Titelzeile falsch gewählt hat. Die mag ich nicht