Rezension

Doppeldeutiger Durst oder „Der Vampirist“

Durst
von Jo Nesbø

Bewertet mit 5 Sternen

Doppeldeutiger Durst oder „Der Vampirist“

„Durst“ ist der – wenn ich richtig informiert bin – der nunmehr bereits elfte Fall für den charismatischen Harry Hole, der fast schon wie ein guter, alter Bekannter anmutet.

Harry Hole ist kein leichter Charakter, war mir aber gleich sympathisch – eben genau deswegen. Er ist nicht aalglatt, hat seine Ecken und Kanten und ist im Umgang vielleicht nicht der Einfachste, doch ein brillanter Ermittler, der geniale Einfälle und einen untrüglichen Instinkt hat.

Wie ich das auch schon mehrfach in meinen Rezensionen schrieb, habe ich „meine liebe Not“ mit den meisten nordischen Autoren, die mir einfach entweder mit viel zuvielen Personen aufwarten (gut, das macht Stephen King auch...) oder aber teilweise echt langatmig schreiben (die Erfahrung habe ich halt gemacht...), doch Jo Nesbo ist eine angenehme „Ausnahme von der Regel“ !

Ich habe zwar nicht alle Nesbo-Bücher gelesen, habe jedoch auch nicht den Eindruck, als benötige man großes Vorwissen aus den vorherigen Bänden... Ich kam jedenfalls wieder sehr gut in die Geschichte hinein.

Der Titel „Durst“ ist hier doppeldeutig, wie ich aus einem Interview-Video mit dem Autor erfuhr. Einmal ist damit der Täter gemeint, der wohl unter Vampirismus leidet (der Arbeitstitel war laut Jo Nesbo auch „The vampirist“), d.h. einer zwanghaften psychologischen Störung, in der der Betroffene Blut von Tieren und auch Menschen trinken „muss“ und zum Zweiten spielt der Autor damit auf Harry Hole´s Alkoholsucht an.

Dieses Mal muss sich Harry mit einem Serienkiller befassen, der die Dating-App „Tinder“ nutzt, um seine Opfer zu finden – perfide...

Hole unterrichtet mittlerweile an der Polizeihochschule, um mehr Zeit für seine Familie zu haben, doch Harry scheint irgendwie involviert zu sein und sein alter Chef macht Druck, so dass er sich doch mit dem Fall befasst...

Als eine Kellnerin aus Hole´s Stammlokal verschwindet, scheint klar, dass ihm der Mörder nicht unbekannt sein könnte...

Spannender kann man einen Krimi nicht schreiben. Hole ist in der Tat „der unumstrittene König des skandinavischen Kriminalromans“, dem kann ich nur beipflichten ! Für mich hatte „Durst“ schon Thriller-Qualitäten, da die Story so fesselnd und spannend war.

624 Seiten sind nicht eben wenig und trotzdem waren sie rasch ausgelesen. Nesbo schafft eine Atmosphäre in seinen Büchern, in denen man sich schon fast selbst verfolgt fühlt, so authentisch schildert er die Geschehnisse. Man fühlt sich, als „säße einem der Täter quasi im Nacken“... Ich mag das, wenn sich beim Lesen ein leicht ungutes Gefühl einstellt – die Spannung bleibt durchgängig hoch und man kann es kaum erwarten, bis der Täter gestellt ist und wieder Ruhe einkehrt. Auch in den eigenen Gedanken...

Mein Fazit ergo: ein phantastischer, sehr spannender neuer Fall für Harry Hole, auf den sich das Warten wirklich gelohnt hat !