Rezension

Downes und Graves - ein neues Ermittlerpaar?

Das Mädchen im Fenster - James Marrison

Das Mädchen im Fenster
von James Marrison

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein Leichenfund in den Cotswolds. Der Tote wurde vor zehn Jahren verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden zweier Mädchen zu tun zu haben, doch die Ermittlungen verliefen damals im Sande. Als nun im Haus des Opfers ein Feuer ausbricht, werden die Überreste einer stark verwesten Mädchenleiche freigelegt. Die Polizei glaubt, das Schicksal der verschwundenen Mädchen endlich aufklären zu können, doch die Obduktion erstickt diese Hoffnung im Keim. Die Tote ist deutlich älter.

Chief Inspector Downes, halb Engländer, halb Argentinier von Geburt, vermisst das warme Wetter seiner Heimat, auch wenn er vor allem die Sicherheit und die Freundlichkeit in England zu schätzen weiß. Ausgerechnet während vorweihnachtlicher Schneefälle muss er sich draußen auf den Hügeln mit der Leiche eines älteren Mannes beschäftigen.
Graves ist neu im Revier und bei der Mordkommission; ein sympathischer, intelligenter Ermittler, der wegen einer undurchschaubaren Begebenheit von Oxford in die Cotswolds strafversetzt wurde.
Nach der schweren Erkrankung seines Partners hat Downes bereits drei Mitarbeiter verschlissen, aber Graves will durchhalten.
Was mag an Downes so schlimm sein, dass er reihenweise seine Partner vergrault? Es erschließt sich nicht, denn der Leser lernt ihn als durchsetzungsfähigen, aber nicht tyrannischen, klugen, aber nicht überheblichen und durchaus kollegialen Mann kennen.
Er hat in Argentinien Brutalität und Gewalt erlebt und seine Frau (Freundin? Geliebte?) verloren, aber was genau geschehen ist, erfährt man nicht im Einzelnen. (Ob hier noch Stoff für weitere Bände zurückgehalten wurde?)

Vor ein paar Jahren bereits hat Downes zweimal gegen Hurst, den Toten vom Hügel, ermittelt. Beim ersten Mal auf der Suche nach zwei verschwundenen Mädchen; von einem der beiden hatte man eine Haarspange bei Hurst gefunden. Ein paar Jahre später, als Hursts zweite Ehefrau im Pool ertrank. Beide Male ohne Erfolg. Hurst lebt völlig zurückgezogen, nachdem seine Tochter Rebecca von Zuhause ausriss und nach London flüchtete, und er sein Haus zum Bunker umbaute.
Das Haus brennt nieder, bevor die Spurensicherung es auf den Kopf stellen kann, doch man findet in den Trümmern eine weibliche Leiche.

Das Buch erweist sich als typisch englischer Krimi: Lokalkolorit samt Wetter, die übliche Anzahl von Verdächtigen, das Ermittlerduo, Pubs, ein Zusammenhang zwischen altem Fall und neuem Verbrechen, wobei beide gemeinsam aufgeklärt werden, eine eher gemächliche Gangart, wenig Blut und ein überraschender Täter.

Zunächst: Die Handlung ist stimmig und bis auf eine kleine Durststrecke im Mittelteil durchaus unterhaltsam, interessant und fesselnd.
Leider leider kann man über Marrisons literarisches Handwerk nicht nur Gutes berichten.
Warum um alles in der Welt teilt er die Erzählperspektive? Ein paar Kapitel mit Downes als Ich-Erzähler, und dann auf einmal ein unbeteiligter Erzähler, der von Downes in der dritten Person spricht.
Rein formal ist die Sache klar, wenn Graves allein unterwegs ist: Eine abwesende Figur kann die Handlung nicht erzählen. Doch der Leser, der sich auf die innere Sichtweise Downes eingeschworen hat, fühlt sich plötzlich wie vor einer Wand, wenn er ihn auf einmal von außen sieht und nicht mehr begleiten kann. Um dann bald wieder zu ihm zurückzukehren. Wäre der Wechsel erklärbar, könnte man ihn akzeptieren. Ich frage mich allerdings, warum Marrison sein gesamtes Buch nicht in der personalen Perspektive angelegt hat; damit hätte er die Möglichkeit, die Person Downes je nach Bedarf näher oder weiter weg zu zoomen.

Der Leser ist immer auf dem gleichen Kenntnisstand wie die Ermittler; dass mancher Sachverhalt zu ahnen ist ehe er bewiesen wird, kann man verschmerzen. Marrison kommt – das kann man ihm positiv anrechnen – am Ende ohne die stereotype Held-in-Gefahr-Szene aus. Die konnte man zu diesem Zeitpunkt bereits zwei- bis dreimal während der Handlung lesen, war aber an diesen Stellen durchaus passend, spannend und inhaltlich treffend.

Trotz der Kritik: Ich freue mich, wieder einmal einen traditionellen englischen Krimi gelesen zu haben.