Rezension

Drei ganz normale Kinder?

Die Drei
von Sarah Lotz

Bewertet mit 4 Sternen

 

Am gleichen Tag stürzen über den Erdball verteilt vier Flugzeuge ab. Es gibt keine Überlebenden – ausser drei (oder doch vier?) Kindern, die Drei genannt. Schon bald wird klar, dass die Kinder nicht mehr die selben sind wie vor dem Absturz…

 

Der Roman ist wie ein Sachbuch aufgebaut, als Sammlung von Augenzeugenberichten, Zeitungsausschnitten und Schilderungen von Angehörigen, Ermittlern etc., zusammengefasst von der fiktiven Journalistin Elspeth Martins. Die Autorin Sarah Lotz schafft es so, die Geschehnisse als Tatsachen darzustellen, anstelle einer erfundenen Geschichte. Durch die rückblickende Perspektive werden viele Punkte erst nur kurz angedeutet, um dann später (teilweise viel später) ausdrücklich ausgeführt zu werden. Wenn es ein wirkliches Sachbuch wäre, würde es sich an Leser richten, die bereits grob wissen, was damals geschehen war. Ohne dieses Wissen hat sich bei der Lektüre mehrfach ein „Hä?“ an ein „Aha!“ gereiht.

 

Über lange Zeit passiert in „Die Drei“ nichts Erschreckendes (wenn man vom Absturz von vier Flugzeugen am gleichen Tag absieht, und den religiösen Fanatikern), trotzdem zehrt der Thriller an den Nerven. Schon bald wird klar, dass mit den überlebenden Kindern etwas nicht stimmt, doch niemand kann genau erklären, was es ist, und dieses ungute Gefühl überträgt sich auf den Leser. Den Lesefluss etwas erschwert hat die grosse Anzahl der erzählenden Personen, die meist nur bei der ersten Erwähnung „vorgestellt“ werden (im Sinne von „beste Freundin von XY“ oder ähnlich). So musste ich oftmals kurz innehalten und nachdenken, wer das nun schon wieder war, der jetzt hier erzählt. Auch dass manche Berichte als Transskripte von Telefongesprächen oder Diktaphon-Aufnahmen dargestellt werden (mit den dazugehörigen Anmerkungen wie „schluchzt“, „lacht“, etc.) macht diese Abschnitte etwas schwierig zu lesen. Sehr schön fand ich allerdings, dass die im Buch angegebenen Quellenangaben aus dem Internet tatsächlich abrufbar sind, sie führen auf die offizielle Homepage zum Buch.

 

„Die Drei“ hat mich gut unterhalten, ich habe das Buch schneller durchgelesen, als ich erwartet hatte. Der Stil ist jedoch sehr gewöhnungsbedürftig, da kann sich wohl nicht jeder damit anfreunden. Ich bin mir nicht sicher, ob man das Buch wirklich als Thriller bezeichnen sollte, diese Bezeichnung könnte irreführend sein. Im Filmbusiness nennt man diesen Stil wohl „Mockumentary“ (als Dokumentarfilm aufgebauter Spielfilm mit fiktiver Handlung, wie beispielsweise „Blair Witch Project“). Ob es diesen Begriff auch in der Literatur gibt, ist mit nicht bekannt, hier wäre er jedenfalls passend. Ich empfehle daher jedem Interessierten, zuerst die Leseprobe anzuschauen.

 

„Die Drei“ soll der Auftakt einer dreiteiligen Reihe bilden, doch bis diese komplett auf Deutsch erscheint, wird es noch eine Weile dauern. Der zweite Band „Day Four“ erscheint nämlich erst am 21. Mai – auf Englisch. Einen Veröffentlichungstermin für die deutsche Übersetzung konnte ich nicht ausfindig machen.