Rezension

Drei Kontinente, drei Leben

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

Laetitia Colombani erzählt in „Der Zopf“ die Geschichte dreier Frauen, die sich nicht abfinden mit dem, was das Leben für sie bereithält. Drei verschiedene Kontinente, drei ganz unterschiedliche Ausgangsbedingungen, zusammengehalten von dem Wunsch, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen und Veränderungen herbeizuführen.

Indien: Smita, die Unberührbare, eine Kotsammlerin, möchte ihre kleine Tochter vor dem Schicksal bewahren, ein Leben auf der untersten Stufe dieser Kastengesellschaft zu fristen. Ihr Mann ist zufrieden mit dem, was er hat und sträubt sich vehement gegen ihren Wunsch nach Veränderung. Wissend, dass ihre Pläne riskant sind, fasst sie sich schließlich ein Herz und verlässt mit ihrer Tochter in einer Nacht und Nebel Aktion ihr Dorf und macht sich auf den Weg in eine ungewisse Zukunft. Doch so ganz kann sie sich von den überkommenen Traditionen nicht lösen, und so bittet sie auf ihrem Weg in die Metropole in einem Bergkloster die Götter um Hilfe. Doch auch hier ist nichts umsonst, man muss dort einen Obolus entrichten. Was tun, wenn man kein Geld hat? Sie opfern ihre wunderschönen Haare, die wiederum von den geschäftstüchtigen Mönchen an Händler verkauft werden.

Sizilien: Giulia hat ihren Vater verloren, einen herzensguten Menschen, aber lausigen Geschäftsmann, der vor seinem Tode versäumt hat, die Weichen des Familienbetriebs in die richtige Richtung zu stellen. Die Familie besitzt eine Perückenmacherei, der aber mittlerweile mangels Angebot der Nachschub auszugehen droht. Ein guter Freund erzählt ihr von der Möglichkeit, Haare aus Asien zu importieren. Gegen alle familiären Widerstände ergreift sie diese Möglichkeit und setzt ihren Kopf durch. So rettet sie das sizilianische Traditionsunternehmen und erfüllt das Vermächtnis ihres Vaters.

Kanada: Sarah ist Anwältin. Gerade dann, als sie vor dem größten Sprung ihrer Karriere steht, erkrankt sie an Krebs. Ihr Körper rebelliert, es scheint, als würde sie die Kontrolle über ihr Leben verlieren. Die Behandlung laugt sie aus, nimmt ihr den Lebensmut und stürzt sie in eine tiefe Krise. Eine Erinnerung konfrontiert sie mit ihrer eigenen Stärke und führt sie schließlich zurück ins Leben. Und der erste Schritt auf dem neuen Weg, ist der Besuch in einem Laden, der Perücken verkauft. Sie entscheidet sich für ein Modell aus wunderbar geknüpftem Echthaar, nicht wissend, welche Schicksale damit verbunden sind.

Smitas Zopf dient als Katalysator, der es drei Frauen ermöglicht, eigenverantwortlich ihr Leben in die Hand zu nehmen. Von daher ist es auch eine Geschichte der Emanzipation, was ganz besonders in der Beschreibung der von Männern dominierten indischen Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Hier brilliert die Autorin. Die beiden nachfolgenden Abschnitte, Sizilien und Kanada, hingegen sind lange nicht so eindrucksvoll, sondern plätschern eher vor sich hin. Das mag aber auch daran liegen, dass uns diese Leben vertrauter sind, weniger schockieren. Smita stellt mit ihrer Entscheidung die Gesellschaftsordnung in Frage, Giulia widmet ihre Energie überwiegend wirtschaftlichen Interessen und für Sarah steht lediglich ihr individuelles Wohlergehen im Mittelpunkt.

Colombanis Roman ist ein Buch für Frauen, das auf unaufdringliche Art und Weise Denkanstöße gibt.