Rezension

Drei Leben- die beeindruckende Biografie des schnellsten Europäers ohne Füße

Sprint zurück ins Leben - David Behre, Carola Schöndube

Sprint zurück ins Leben
von David Behre Carola Schöndube

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Jedes Jahr verlieren rund 60.000 Menschen durch eine Krankheit oder einen Unfall Gliedmaßen." (S.17)

Fünf Tage vor seinem 21. Geburtstag endet David Behres erstes Leben. Von einer Feier zurückkommend überquert er einen beschrankten Bahnübergang in seiner Heimatstadt, nicht wissend, dass die Schranken defekt sind und ein Zug heranrollt. Er wird mitgerissen, schwer verletzt und erst Stunden später von einer Anwohnerin gefunden, der er sein Leben verdankt.

Sein zweites Leben beginnt- das des beidseitig unterschenkelamputierten jungen Erwachsenen, dem mit einem Schlag alle Täume zunichte gemacht schienen. Bis dahin passionierter Motocrossfahrer, drehte sich sein sportlicher Ehrgeiz nun ausschließlich darum, sich nicht mit seinem vermeintlichen Schicksal abfinden zu müssen, sondern das Gehen auf Prothesen zu erlernen, um Stück für Stück ein bisschen Alltag wiederzuerlangen. Noch in der Klinik sieht er zufällig Oscar Pistorius im Fernsehn und in ihm reift ein Entschluss: Das kann er auch! Er möchte Laufen!

Sein drittes Leben, seine Sportlerkarriere, brachte ihn auf der Überholspur 2012 schließlich bis zu den Paralympics nach London, wo er mit der 4x100- Meter-Staffel die Bronzemedaille gewann. Und nun hat er zwei große Wünsche: Die Paralympics 2016 in Rio de Janeiro -und ein Mal in einem Wettkampf gegen Nichtbehinderte anzutreten.

Von all dem handelt diese Biografie, aber sie ist so viel mehr als die Erzählung eines jungen Menschen, dem das Schicksal übel mitgespielt hat. David Behre macht keinen Hehl daraus, dass er unfassbares Glück hatte. Er sagt aber auch, dass man niemals den Mut verlieren darf und an sich selbst glauben muss, anstatt im Selbstmitleid zu zerfließen, um einen solchen Schicksalsschlag zu bewältigen, mit dem Höhen, aber auch Tiefen einhergehen.

Nicht nur er äußert sich zu den Unfallgeschehnissen und der Zeit danach; auch seine Retterin, der Notarzt, die Mutter, die Physiotherapeutin und der Trainer kommen zu Wort und schildern ihre Eindrücke von David, ihre Erinnerungen und was sie dabei empfunden haben.

Diese Biografie beschönigt nichts, aber gleichzeitig wirkt David Behre aufgeschlossen, sympathisch und optimistisch. Man muss nicht in allen Dingen seiner Meinung sein, aber diese knapp 190 Seiten bleiben einem nach dem Lesen noch lange in Erinnerung. Er spricht von Berührungsängsten und Hemmungen, aber auch von Akzeptanz und gelebter Inklusion. "[In Deutschland leben] rund 9,6 Millionen Menschen, die behindert sind. Bei 80 Millionen Einwohnern ist das immerhin fast jeder Achte! Doch wo sind all die vielen Menschen mit Handicap? In der Öffentlichkeit sind sie selten zu sehen.Da muss man sich nicht verstecken!". (S. 17) Vielleicht sind es Bücher wie diese, die eines Tages etwas ändern können. Vielleicht sind es Menschen wie David, die eines Tages die Welt verändern.