Rezension

Drei Mädchen

Zwei oder drei Dinge, die ich dir nicht erzählt habe
von Joyce Carol Oates

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es ist das letzte Schuljahr für Merissa, Tink und Nadia. Joyce Carol Oates beschreibt, wie die drei jungen Mädchen sich durchschlagen, die eine erfolgreich und selbstbewusst, die andere rebellisch, die dritte schüchtern. Alle haben sie zu kämpfen mit den hohen Erwartungen, die an sie gestellt werden, mit Selbstzweifeln und Verlustangst. Ist es nur eine Frage der Zeit, bis das dünne Seil reißt, auf dem sie gehen?

Drei gleichaltrige Mädchen an derselben Schule – drei unterschiedliche Familienkonstellationen, drei unterschiedliche Arten sich selbst wahrzunehmen, drei unterschiedliche Lebensweisen.

Merissa, die tüchtige, der die guten Noten in den Schoß fallen, die allerseits beliebt ist und der man eine glänzende Zukunft prophezeit. Sie scheint das perfekte Mädchen zu sein. Besser kann es keiner gehen.
So wirkt sie nach außen. Obwohl sie sich über ihre Aufnahme an einer renommierten Hochschule freut, kommt sie sich unzulänglich und dumm vor. Sie ist dünn, dennoch besorgt um ihre Figur. Wann immer Verzweiflung, Schmerz oder der Ekel vor sich selbst sie packen, nimmt sie eine Nagelschere und fügt sich Schnitte zu. Ganz schlimm wird es, als der Vater die Familie verlässt.

Tink scheint selbstbewusst, als könne ihr nichts passieren. Zusammen mit ihrer allein erziehenden Mutter spielte sie als Kind in einer bekannten Fernsehserie. Ihr vergangener Ruhm hängt ihr inzwischen zum Hals heraus, und sie wirkt stark, selbstbewusst, kümmert sich weder um Schulnoten noch um enge Freundschaften und lässt niemanden an sich heran. Am Ende trifft sie eine einsame Entscheidung.

Nadia, rundlich, versponnen und allein, lebt mit ihrem Vater, der Geld jagt, und ihrer Glamour-Stiefmutter zusammen. In der Schule wird sie gemobbt, verspottet und gering geschätzt, und dementsprechend liegt ihr Selbstbewusstsein am Boden. In ihrer Not und Dummheit begeht sie einen folgenreichen Fehler und gerät in eine oberpeinliche Situation.

Die exemplarischen Schicksale der drei Mädchen machen eines klar: Nichts ist, wie es scheint, und jeder ist anders als er sich gibt. Das mag nicht der Weisheit letzter Schluss sein, doch Oates gelingt es, daraus Geschichten zu machen, die lebendig und real sind.
In den verschiedenen Typen, die die Autorin vorstellt, wird sich sicher die eine oder andere wieder erkennen.

Wie immer schreibt die Autorin routiniert und flüssig, so dass sich das Buch – im Gegensatz zu manchen ihrer Erwachsenenbücher – leicht lesen lässt. Allerdings vermisst man das Eindringliche und die Tiefe, die andere Oates’ Bücher auszeichnet.
Mich würde interessieren, wie das Buch von 15-18-jährigen Mädchen gelesen wird und wie sie dazu stehen