Rezension

Dreiecksgeschichte mit hochaktuellen Thema

Die Attentäter - Antonia Michaelis

Die Attentäter
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 3 Sternen

Cliff, Margarete und Alain sind Nachbarn und kennen sich seit klein auf. Alle kommen aus grundverschieden Verhältnissen. Als Cliff wieder und wieder verschwindet und auf die schiefe Bahn gerät, können Margarete und Alain jedes Mal nur hoffen, dass er wiederkommt. Und er kommt wieder. Doch nun ist er zum Islam konvertiert, und möchte in Berlin einen „Tag des Blutes“ verrichten. Können seine Freunde das verhindern oder ist Cliff schon zu tief gefallen?

 

Schreibstil:

Die Ausdrucksweise von Frau Michaelis ist wieder sehr beeindruckend. Die Sätze die sie auf dem Papier entstehen lässt, haben eine ungeheure wortgewaltige emotionale und sogar künstlichere Ausdruckskraft. So herausragend kann auf jeden Fall nicht jeder Autor mit Wörtern umgehen.

Dennoch ist der Einstieg in dieses Buch nicht leicht, da es meist abwechselnd aus den Perspektiven von Cliff und Alain geschrieben wird. Am Ende jedes Kapitels folgt dann so etwas wie ein Brief bzw. Tagebucheintrag von Margarete an Alain oder Cliff. Gerade anfangs, wenn man die Akteure noch nicht gut kennt ist dieser Umstand sehr verwirrend. Da ist dann Konzentration beim Lesen gefragt. Aber auch insgesamt ist dieses Buch nicht für ein paar Minuten freie Lesezeit geeignet, sondern benötigt Zeit und volle Aufmerksamkeit um das Buch bewusst wahrnehmen zu können.

 

Charaktere:

Die Hauptcharaktere des Romans sind Cliff und Alain. Diese begleitet der Leser ab dem zarten Alter von 4 Jahren bis zum jungen Erwachsenenalter. Man leidet mit Cliff, wenn man merkt in welchen unklaren familiären Strukturen er aufwächst. Anfangs ist es die gemeinsame Liebe zum Malen, die Alain und Cliff verbindet. Beide hängen im Laufe der Zeit immer mehr aneinander und fühlen sich stark zueinander hingezogen. Cliff möchte das nicht wahrhaben und projiziert seine Emotionen auf Alain ins Negative.
Dann gibt es auch noch Margarete, sie ist die Schlüsselperson zwischen den beiden. Sie versteht beide sehr gut und vermittelt zwischen Ihnen. So entsteht eine verwobene Dreiecksgeschichte.

Mich konnten die Agierenden sehr überzeugen. Ihr Handeln und die dabei entstehenden Emotionen waren meist nachvollziehbar für mich. Auch die Nebencharaktere wirkten authentisch auf mich.

 

Meine Meinung:

Irritiert hat mich vor allem der Titel, denn erst einmal erweckt das Lesen des Buches bei mir den Eindruck, dass es sich um einen Attentäter handelt, und nicht um mehrere. Denn ich verknüpfe dieses Buch tatsächlich nur mit drei Hauptcharakteren und einigen Nebencharakteren, die aber für die Geschichte nicht weiter von Belang sind. Zunächst muss man darauf hinweisen, dass der Titel des Buches zwar genau auf ein Attentat zusteuert, aber der Weg dahin ist lang, oft sogar zu lang. Was nicht heißt, dass die Dreiecksbeziehung, die hier eindeutig im Vordergrund steht nicht genauso interessant und wichtig ist, um den Werdegang zum Attentäter zu verstehen, aber eben nicht die Haupthandlung des Buches ist, was für den ein oder anderen eventuell enttäuschend ist.
 

Bisher las ich von Antonia Michaelis bereits „Niemand liebt November“, welches mich sehr mitriss. Überraschenderweise sind beide Bücher völlig anders, was mir die Befürchtung nahm, dass ich zu viele Ähnlichkeiten und Parallelen entdecken würde, wie es doch manchmal bei denselben Autoren der Fall ist. Und wenn ich es nicht wüsste, würde ich hier nicht auf denselben Autor tippen.

Toll finde ich, dass das Buch hauptsächlich in Berlin spielt, da ich auch aus der Nähe komme, und mir alle „Spielorte“ besser vorstellen kann.

Das Thema Islam und seine grotesken Züge wenn es um die Gotteskrieger und Märtyrer geht, ist, so denke ich ein sehr aktuelles, gerade wenn man die momentanen Flüchtlingswellen beachtet. Der Leser erhält hier stets die nötigen Hintergrundinformationen. Frau Michaelis zeigt gut auf, wie schnell der Strudel aus schlechter Kindheit und das Sich-nicht-Zugehörigkeitsgefühl einen Jugendlichen in der Findungsphase in einem Sog aus Verzweiflung und Wut mitziehen kann. Die Stimmung beim Lesen ist daher nahezu immer dunkel und die Verzweiflung der Protagonisten zum Greifen nahe.

Ich glaube, dass es in diesem Buch hauptsächlich um Selbstfindung geht. Jeder versucht seinen Platz im Leben zu finden, doch Cliff ist sich nie sicher, ob er auf dem richtigen Weg ist. Als er zum Koran konvertiert fühlt er sich das erste Mal aufgenommen und dazugehörig. Der Koran gibt ihm klare Strukturen und Regeln vor die er so nie kannte, an die er sich nun halten muss und auch festhalten kann.

Das Genre des Buches würde ich schon beinahe als Literatur bezeichnen statt als Jugendroman, weil die Autorin wirklich sehr viel wert auf Sprache legt. Die Altersangabe von 14 Jahren ist völlig korrekt und bestätigt sich schon erstens beim Thema im Allgemeinen und zweitens im Geschriebenen im Besonderen. Natürlich ist so ein Buch nicht frei von Gewaltdarstellungen. Mir sind so drei, vier Szenen in Erinnerung geblieben, die entweder durch Brutalität oder Misshandlungen auffielen.

Leider kann ich nur drei von fünf Sternen vergeben, da mir beim Lesen einfach die Spannung fehlte, der Höhepunkt zog sich einfach zu lange hin. Ich hatte wohl etwas anderes erwartet. Das Ende ist dann doch wieder ganz anders als gedacht, aber auch schlüssig und passt in das Gesamtbild.

Insgesamt ist es kein schlechtes Buch und für sich genommen lesenswert, nur eben nicht jedermanns Sache!

 

Dieses Rezensionsexemplar bekam ich freundlicherweise von vorablesen zur Verfügung gestellt.