Rezension

düster, traurig, emotional - typisch Stroud und doch ganz anders

Die Spur ins Schattenland - Jonathan Stroud

Die Spur ins Schattenland
von Jonathan Stroud

Bewertet mit 5 Sternen

Charlie ist fassungslos. Alle um sie herum versuchen sie davon zu überzeugen, dass Max bei ihrem Ausflug zur Wassermühle ertrunken ist. Dabei hat sie doch selbst gesehen, was wirklich passiert ist! Mehrere, ziemlich gruselig aussehende Frauen haben ihn ins Schattenland gelockt. Doch Charlies Mutter glaubt ihr nicht und auch ihr Bruder stellt ihr so komische Fragen. Die Ärzte erzählen immer irgendwas von Trauerarbeit und sie muss zu allem Überfluss auch noch ständig zu nem Seelenklempner. Als ob sie verrückt wäre!! Dabei muss sich Charlie doch beeilen und Max finden. Jede Nacht macht sie sich auf ins Schattenland, um ihn zu erreichen, bevor es zu spät ist und er nicht mehr zurückkehren kann....

Was für eine berührende Geschichte über den Verlust eines geliebten Menschen und den schweren Weg zurück ins Leben. Charlie, die eigentlich Charlotte heißt, hat es wirklich nicht leicht. Ihre Mutter ist alleinerziehend und ist sowohl mit Geld verdienen als auch dem neuen Freund mehr als ausgelastet. Da bleibt nicht viel Zeit für einen fast erwachsenen Sohn und eine pubertäre Tochter, die sie eigentlich nur nervt. Und so verbringt Charlie all ihre Freitzeit lieber mit dem gleichaltrigen Max von ein paar Straßen weiter. Gemeinsam erkunden sie ihre triste Stadt und mit ihm wird auch aus einer alten, rostigen Fabrik oder der Autofriedhof zu den tollsten Plätzen der Welt.

Einer ihrer Lieblingsplätze ist jedoch die alte Wassermühle... doch dort geschieht das Unfassbare... Doch anstatt Charlies Schock, ihre Trauer, ihren Unglauben nach dem Unglück anzunehmen und ihr zuzuhören, versuchen alle um sie herum möglichst schnell ins normale Leben zurückzukehren und außer den Ärzten redet niemand mit ihr, was wirklich geschah. Denn Charlies Geschichte ist so abgedreht, das kann doch so nicht passiert sein, oder etwa doch?

Jonathan Stroud schreibt wunderbar eindringlich über die Gedanken eines jungen Mädchens, deren Welt gerade zusammengebrochen ist und das alles versucht, um diese wieder gerade zu biegen. Durch die wechselnden Ich-Perspektiven ist man als Leser wahnsinnig dicht sowohl an Charlies Gedanken als auch den Sorgen und Ängsten ihres Bruders, der hilflos mit ansehen muss, wie Charlie ihren besten Freund nicht loslassen kann und unsicher ihrer verrückten Geschichte wegen ist- Max ist doch tot, oder?

Der Schreibstil ist ganz typisch Stroud, wobei hier der ihm eigene Humor angesichts der traurigen Geschichte komplett fehlt. Es liest sich toll und ich habe die ganze Zeit mit Charlie mitgefiebert, in der Hoffnung Max im Schattenland noch zu erreichen und ihre Wut auf ihre Umwelt nur allzu gut nachvollziehen können. Doch sobald ich in die Gedanken ihres Bruders abgetaucht bin, war ich unendlich besorgt darüber, dass Charlie vielleicht doch verrückt geworden ist und dringend medizinische Hilfe benötigen würde. Ihre Mutter hat mich sprachlos zurückgelassen. Wie man so herzlos, hilflos im Umgang mit seiner Tochter und so blind für ihre Bedürfnisse sein kann, ist mir schleierhaft und hat mich wirklich wütend gemacht.

Fazit: Dieses Buch hat mich tief berührt zurückgelassen, deswegen gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir, nicht nur für junge Leser. Auch Erwachsene können viel von Charlie und ihrer Familie über den Umgang miteinander nach einem Schicksalsschlag lernen. 

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