Rezension

Durch schwache erste Hälfte verliert die Geschichte viel Spannung

Italienische Nächte
von Katherine Webb

Inhalt: 

Wir schreiben das Jahr 1921. Clare lebt mit ihrem Mann Boyd und dessen Sohn Pip ein beschauliches und gemütliches Leben in London. Boyd jedoch wird von Leandro Cardetta, einem reichen Italiener, beauftragt, eine neue Fassade für sein Gut in Apulien, Süditalien zu gestalten. Der Architekt reist darauf hin nach Italien, seine Familie folgt ihm.  Bald wird Clare bewusst, dass das Leben in Italien ganz anders läuft als in England. Trockene und heiße Sommer machen es der Landwirtschaft schwer, es gibt kaum Arbeit für die Armen, viel Unterdrückung, Angst und bald aufkeimende Wut seitens der ärmsten Bevölkerung. Ein bevorstehender Krieg zwischen den Arbeitern und den Gutsbesitzern scheint unumgänglich. Clare will so schnell wie möglich zurück nach England, in Sicherheit. Als ihr jedoch Ettore, ein junger Arbeiter aus dem ärmsten Viertel, über den Weg läuft und ihre Hilfe braucht, ändert sie ihre Meinung und stellt bald fest, dass dieser Mann ihr langsam aber sicher den Kopf verdreht.

Meinung:

Katherine Webb ist eine meiner absoluten Lieblingsautorinnen, ihr Werk „Das geheime Vermächtnis“ gehört zu den besten und mitreißendsten Büchern, die ich bis heute gelesen habe. Dementsprechend gespannt war ich auf ihr neuestes Werk, das diesmal nicht im England des neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhunderts spielt, sondern in Italien, rund um das Jahr 1921. An sich keine schlechte Idee, schließlich gibt es auch dort viele interessante und geschichtliche Ereignisse, die erzählt werden sollten. Die Kulisse des Italiens Anfang des 20. Jahrhunderts hat mir sehr gut gefallen. Auch das es diesmal kein Wechsel zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart gab (wie es in ihren anderen Büchern der Fall ist), hat nicht weiter gestört, so konnte man sich komplett auf diese eine Geschichte einlassen und in das alte Italien eintauchen. 

Der Verzicht auf eine Parallelgeschichte hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: man muss mehr zu erzählen haben, um die Seiten zu füllen. Und genau dies ist meiner Meinung nach das größte Problem des Romans. Die ersten 250 Seiten ziehen sich wie Kaugummi in die Länge, zeitweise kam so viel Langeweile auf, dass ich mir ernsthaft überlegt habe, abzubrechen. Der gewohnte Sog, den ich immer bei Webb verspüre, wollte sich einfach nicht einstellen. Die Handlung wird leider auch nicht von der weiblichen Hauptperson, Clare, getragen. Sie wirkt sehr blass und nichtssagend, langweilt sich auf diesem großen italienischen Anwesen und hat nichts zu tun. Den männlichen Gegenpart hingegen schließt man schnell ins Herz, da die Autorin seinen Charakter sehr genau und mit viel Gefühl zeichnet. Wir erfahren einiges aus seiner Kindheit, von seiner großen Liebe und der familiären Situation. Wir leiden, hoffen und vermissen mit ihm. Clare wirkt, mit ihm verglichen, wie ein unbeschriebenes Blatt. Auch die Beziehung zwischen den beiden konnte ich nicht so ganz nachvollziehen. Clare und Ettore begegnen sich nicht oft, haben kaum Kontakt. Und plötzlich, ohne Vorwarnung ist es die große Liebe und sie können nicht mehr voneinander lassen. Das habe ich als Leser, in diesem Maße, nicht kommen sehen, sehr glaubwürdig war es jedenfalls nicht. Zwar wusste ich, dass die beiden sich laut Inhaltsangabe näher kommen würden, doch dieses langsame ‚Näherkommen’ war kaum vorhanden. 

In der 2. Hälfte der Geschichte kommt Spannung auf, die Ereignisse überschlagen sich und man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Hier zeigt Webb endlich, was sie kann. Tragik, Drama, Zorn, Wahnsinn und jede Menge Geheimnisse machen die letzten 150 Seiten und das Ende unglaublich spannend und lesenswert. Leider gilt dies eben nur für das letzte Drittel des Romans während die 300 ersten Seiten so vor sich hin plätschern. 

Auch wenn das Ende sehr spannend und gut gelungen ist, muss für mich ein gutes Buch von Anfang an mehr oder weniger begeistern können. Dies ist hier leider nicht der Fall. 

Fazit:

Trotz toller Recherche und spannendem Ende für mich persönlich der schwächste Webb-Roman bis jetzt. („Das fremde Mädchen“ ist davon ausgenommen, da ich es noch nicht gelesen habe).     

 

Kommentare

Arietta kommentierte am 18. Oktober 2015 um 13:33

Ich bin das Buch am Lesen und schwer enttäuscht. Die Geschichte zieht sich hin, bin bei Seite 100 bis jetzt kommt keine Spannung auf.