Rezension

Dystopie mit leichten Schwächen

Starters - Lissa Price

Starters
von Lissa Price

Bewertet mit 4 Sternen

"Starters" von Lissa Price ist ein Jugendbuch und der erste Teil von geplanten zwei Bänden, der wie so häufig eine Dystopie zum Thema hat. Während ich den Plot trotz schwächelnder Sprache sehr gelungen fand, war die obligatorische Liebesgeschichte überflüssig wie selten...

Vor den Details, erst einmal zum Inhalt: Nach einer verheerenden Sporen-Epidemie ist die Bevölkerung der USA stark geschrumpft. Durch Impfungen konnten nur Jugendliche ("Starters") und Alte ("Enders"), die eine Lebenserwartung von bis zu 200 Jahren haben, überleben, die mittleren Generationen wurden nahezu ausgelöscht. Jugendliche, die keine Großeltern mehr haben, leben illegal und versteckt auf den Straßen und in verlassenen Häusern. Sie haben keine Rechte, solange sie nicht volljährig sind, und wer geschnappt wird, landet in Heimen, in denen Ausbeutung und Gewalt an der Tagesordnung sind.
Auch Callie und ihr kleiner Bruder Taylor gehören zu den jugendlichen Hausbesetzern. Als Taylor immer kränker wird und die Nahrung knapper, beschließt Callie widerwillig ihren Körper in der so genannten "Body Bank" an Enders zu vermieten. Beide Seiten müssen bei der Vermietung strenge Regeln einhalten, die den Missbrauch der Körper für Illegales verhindern sollen und durch einen Chip kontrolliert werden. Dadurch fühlt Callie sich sicher, während ihr Bewusstsein schläft und ein Ender mit ihrem Körper durch die Welt spaziert - doch etwas geht schief und Callie erwacht zu früh in ihrem Körper, im Leben einer Fremden, die kurz davor war, in Callies Körper einen Mord zu begehen...

Was mich am Buch sofort begeistern konnte, ist das Cover. Die Gestaltung des Schutzumschlags ist schlicht, aber in seiner Schlichtheit für mich sehr überzeugend und aussagekräftig, wie es die Hülle eines Menschen darstellt, ohne ins Detail zu gehen und ihn so zu personalisieren. Denn darum geht es in dieser Dystopie: Der Körper wird wie eine Hülle betrachtet, die man für eine begrenzte Zeit und ausreichend Geld anderen Nutzern zur Verfügung stellt. In diesem Zusammenhang und auch aus ästethischen Gesichtspunkten hat der IVI-Verlag mit diesem Cover einen Volltreffer gelandet.

Auch den Plot fand ich insgesamt sehr gelungen, gut durchdacht und überzeugend. Callie erfährt durch ihre Mieterin mehr über die "Body Bank" und beginnt zu zweifeln, wem sie trauen kann. Ihre Suche nach der Wahrheit bringt sie in viele Gefahren, doch während sie das Leben ihrer Mieterin führt, lernt sie auch einen Luxus kennen, von dem sie seit dem Tod ihrer Eltern nicht mehr zu träumen gewagt hatte und sieht eine Chance, ein neues Leben zu beginnen. Zuerst aber muss Callie die Pläne der "Body Bank" und ihres geheimnisvollen Leiters, dem "Old Man", der sich immer hinter einer Maske versteckt, durchkreuzen. Der investigative Anteil der Geschichte bildet den Mittelpunkt der Handlung. Er ist sehr spannend, gut durchdacht und der Leser erlebt einige Überraschungen, während Callie die dunklen Machenschaften des "Old Man", die langfristig die Existenz aller Starters gefährden könnten, Stück für Stück aufdeckt.

Callie tritt dabei als Ich-Erzählerin auf und ist ein sehr überzeugender Charakter, dessen Handlungen und Beweggründe ich als Leser gut nachvollziehen konnte. Sie ist sowohl sympathisch als auch stark und mutig und sticht mit diesen Eigenschaften und ihrer Authentizität aus der Masse der Jugendbuch-Protagonistinnen, naiv und hilflos wie sie oft sind, hervor. Wer Freude an einer Protagonistin hat, die die Dinge selbst in die Hand nimmt, wird von Callie sicher nicht enttäuscht sein. Auch andere Charaktere sind gut gelungen. Sowohl unter den Enders als auch unter den Starters finden sich abwechslungsreiche, teilweise skurrile Nebencharaktere, die diesen Roman was die Figuren angeht sehr bunt gestalten.

Mit der "Liebesgeschichte" hatte ich bei "Starters" große Probleme. Der Roman an sich hätte eine solche auch überhaupt nicht gebraucht, aber eine Junge-Mädchen-Sache gehört bei Jugendromanen ja mittlerweile zur Grundausstattung und so lernt auch die junge Ich-Erzählerin dieses Buches einen gutaussehenden Jungen, Blake, kennen und nach anfänglicher Skepsis lieben. Neben der Suche nach den Geheimnissen der "Body Bank" geht die Liebesgeschichte in diesem Roman aber leider fast vollständig unter. Die Autorin opfert ihr nur wenige Seiten und überreizt das Thema "Liebe auf den ersten Blick" bei diesen wenigen Momenten der Zweisamkeit bis zum Äußersten, was die Beziehung von vornherein wenig glaubwürdig erscheinen lässt. Mit der Zeit entwickelten sich zwar ein, zwei schöne Situationen, aber am Ende sind diese wie auch der Charakter "Blake" selbst praktisch null und nichtig. Interessant wird vielleicht zu sehen sein, was die Autorin im zweiten Teil, "Enders", noch daraus machen kann. Bis jetzt bin ich jedenfalls eher enttäuscht, zumal auch noch das Potential eines Eifersuchts- und Dreieckskonflikts mit Callies Freund und "Mitbewohner" (wenn man das denn unter Hausbesetzern so nennen kann) Michael, der sich in ihrer Abwesenheit um ihren Bruder kümmerte, ungenutzt verpuffte.

Der Schreibstil ist durchschnittlich und liest sich flüssig. Es gibt weder Stolpersteine noch besondere Highlights in der Formulierung. Die Charaktere und ihre Handlungen wirken mit ihrer Sprache zwar authentisch, besonders auch die Ich-Erzählerin Callie, mit den eher flachen Beschreibungen der Umgebung und Situationen schafft es die Autorin aber leider nicht immer eine zur Dystopie passende Atmosphäre zu erzeugen oder ihren Figuren besonders viel Leben einzuhauchen. "Starters" ist zwar eine spannende, aber keine besonders düstere oder atmosphärisch bedrückende Dystopie. Da habe ich leider schon viele deutlich bessere gelesen. Der Spannungsverlauf ist allerdings gut ausgearbeitet. Neben einigen kleinen Höhepunkten gipfelt alles in einem fesselnden Finale, das mit einigen gelungenen Wendungen aufwarten kann. Der beinahe obligatorische Cliffhanger am Ende macht Lust auf mehr, er kam aber, betrachtet man den Verlauf und einige Passagen der Handlung, nicht wirklich überraschend.

Fazit: Schönes Cover, schöner Plot. Auch die Umsetzung der dystopischen Idee ist gelungen und führt zu einer spannenden Jagd. Sprachlich gehört "Starters" allerdings leider zu den schwächeren Jugendromanen und auch die Liebesgeschichte konnte nicht überzeugen. Wer eine spannende, gut durchdachte Dystopie lesen will, wird mit "Starters"sicherlich seine Freude habe, wer auf Teenie-Liebesgeschichten steht, eher nicht. Mir hat es insgesamt trotz der sprachlichen Ausbaufähigkeit gut gefallen. 4 Sterne