Rezension

Dystopisches Deutschland

Leere Herzen - Juli Zeh

Leere Herzen
von Juli Zeh

Bewertet mit 3 Sternen

Britta Söldner (nomen est omen) betreibt mit ihrem Geschäftspartner Babak eine psychologische Beratungspraxis, „die Brücke“, zumindest soll es nach außen diesen Anschein haben. Lange weiß der Leser nicht, womit die beiden eigentlich ihr Geld verdienen, selbst Brittas Ehemann weiß nicht Bescheid und er scheint sich auch nicht sonderlich für Brittas Geschäfte zu interessieren, solange die Finanzen stimmen.

 

Im ersten Kapitel wird im Leipziger Hauptbahnhof ein Anschlag verübt, was Britta und Babak extrem beunruhigt. Was haben die beiden damit zu tun? Sie wüssten gerne Details zu dem Anschlag, warum recherchieren sie die Hintergründe nicht im Internet?

 

Es wird klar, dass im Deutschland des Jahres 2025 jede digitale Bewegung aufgezeichnet wird, der gläserne Mensch ist längst Realität. An der Regierung ist die politisch rechte BBB, die Besorgte Bürger Bewegung. Grundrechte wurden beschnitten, der Import von ausländischem Bier soll verboten werden (Germany first?), doch, man höre und staune, in Deutschland gibt es das bedingungslose Grundeinkommen.

Die Menschen sind politikverdrossen und mit ihrem Leben unzufrieden, die Selbstmordrate ist extrem hoch. Und genau hier kommt die Brücke ins Spiel. Wenn sich Leute umbringen wollen, warum nicht Profit daraus schlagen?

Das Geschäftsmodell ist erfolgreich und andere wollen auch ihren Teil des Kuchens abbekommen. Britta und Babak geraten in Gefahr und müssen fliehen...

 

Ich hatte mich sehr auf das neue Buch von Juli Zeh gefreut. „Unterleuten“ war für mich eines der Buch-Highlights des vergangenen Jahres gewesen. So hatte ich gehofft, dass mich das neue Buch ähnlich begeistert, aber dies ist leider nicht der Fall.

Ich nehme an, Juli Zeh will mit diesem Buch aufrütteln, „Seht her, was geschieht, wenn ihr nicht wählen geht!“ Da das Buch gerade einmal 8 Jahre in der Zukunft spielt, ist die nächste Botschaft „Und macht euch bewusst, wie schnell das alles passieren kann“. Mir war das alles ein bisschen zu viel Moral und erhobener Zeigefinger. Vor die Wahl gestellt, ob die Leute lieber das Wahlrecht oder eine Waschmaschine möchten, entscheidet sich laut Buch die große Mehrheit für die Waschmaschine. Was ist das überhaupt für eine lächerliche Alternative? Genauso gut könnte man fragen „wollt ihr lieber essen oder wählen gehen?“, da wäre die Antwort doch auch von vornherein klar.

 

Der Anfang des Buchs hat mir gut gefallen. Die beiden Familien, die zusammen essen, zunächst wirkt alles sehr idyllisch, wenn da nicht die beiden kleinen Mädchen wären, die ein Computerspiel spielen und hin und wieder „Kollateralschaden“ juchzen. Brittas Reinlichkeitswahn ist auch befremdlich. Unterschwellig merkt man schon, dass die Idylle trügt. Britta wirkt kühl, arrogant und berechnend. Sie schaut auf ihre angeblich beste Freundin Janina herab, deren großer Traum es ist, mit ihrer Familie in einem Häuschen auf dem Land zu leben. Dabei ist Janina noch die sympathischste Person im ganzen Buch, während mir Britta immer unsympathischer wurde.

 

Das Ende ist unerwartet, lässt aber viele Fragen offen. Ich habe dieses als „Politthriller“ beworbene Buch trotz mancher Längen zu Ende gelesen, fand es aber nicht sonderlich spannend. Sprachlich gut, von der Idee her auch, aber es konnte mich nicht fesseln.