Rezension

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Ecosphere 2 - Leben hinter Glas

Die Terranauten
von Tom Coraghessan Boyle

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nichts rein, nichts raus. 4 Männer und 4 Frauen, 2 Jahre lang eingeschlossenen in einem autarken Ökosystem namens Ecosphere 2 (E2). Was als wissenschaftliche Sensation gedacht war, wir schnell überschattet von Hunger, Neid und Fernsehteams, die jeden Schritt der Terranauten überwachen. Als Dawn dann auch noch schwanger wird, ist von der anfänglichen guten Gruppendynamik nicht mehr viel vorhanden...

T. C. Boyles neuer Roman "Die Terranauten" ist angelehnt an das Projekt "Biosphere 2", welches in den 90er Jahren wirklich in Arizona stattgefunden hat. Viele der im Buch genannten Probleme ähneln denen des realen Experiments, welches nach 2 Versuchen als gescheitert erklärt wurde.

Zu Beginn des Romans stellt Boyle den wissenschaftlichen Aspekt in den Vordergrund, weshalb bereits auf den ersten 100 Seiten einige Längen auftreten, in denen zum Beispiel die Wasserversorgung/-aufbereitung von E2 erklärt wird.

Im weiteren Verlauf verändert sich das Buch immer weiter in eine Art Charakterstudie, fast die gesamte Handlung rückt in den Hintergrund, wichtiger sind die 3 Protagonisten Dawn, Ramsey & Linda, aus deren Sicht die Geschichte abwechselnd erzählt wird. Während Dawn und Ramsey zu den Terranauten gehören und sich somit in E2 befinden, ist Linda draußen, sie wurde nicht für die Mission ausgewählt und ist dementsprechend sehr neidisch auf die Bewohner von E2, besonders auf Dawn, ihre (ehemals?) beste Freundin.

Alle 3 Personen sind auf ihre eigene Art unsympatisch, Linda ist unglaublich neidisch und hinterlistig, Dawn eitel und Ramsey ist einfach ein Arschloch. Alle 3 (und auch ihre Mitterranauten) sind unglaublich selbstsüchtig und denken nur an sich selbst. Was die anderen davon halten ist ihnen einfach völlig egal.

"Bis jetzt war ich machtlos, machtlos und zurückgestellt, bloß eine Fußnote in der Geschichte der Terranauten, aber jetzt habe ich etwas, auf dem ich aufbauen, aus dem ich vielleicht Kapital schlagen kann." (Linda Ryu, S. 163)

Die anderen handelnden Personen (und davon gibt es sehr viele! Die Mitteranauten, Mitarbeiter von Mission Control...) bleiben leider allesamt sehr blass und tauchen größtenteils eigentlich nur mit Namen und vielleicht noch Beruf auf. Zusätzlich dazu tragen viele Personen seltsame Spitznamen und mal werden sie mit dem einen, mal mit dem anderen Namen genannt (Dawn zB. heißt auch Eos bzw E.) und manche konnte ich bis zum Ende nicht wirklich zuordnen. (Wer ist denn bitte GM?) Das Ganze fand ich persönlich einfach ziemlich verwirrend.

Zu meiner allgemeinen Verwirrung trug übrigens auch T.C. Boyles - vielgelobter - Schreibstil bei. Ich persönlich empfand diesen an einigen Stellen mehr als holprig, verbunden mit vielen hypotaktischen Sätzen, die den Lesefluss nicht besser machen.

Alles in allem ist "Die Terranauten" ein faszinierendes Werk, das einen an vielen Stellen zum Nachdenken über den eigenen Charakter anregt. Besonders im Vordergrund befindet sich der psychologische Aspekt der Geschichte, der Leser sollte also auch Interesse daran mitbringen, sonst wird man vermutlich recht lange und müsehlig an dem Buch lesen. "Die Terranauten" ist also kein Buch für jedermann, bekommt aber trotzdem eine Lesemepfehlung von mir, denn mir hat es, trotz der Schwächen recht gut gefallen.

"In siebenundzwanzig kurzen Tagen werde ich in der größen Diätklinik der Welt leben, essen und atmen." (Linda Ryu, S. 542)