Rezension

Eher zahme Geschichte

Das wilde Buch
von Juan Villoro

Bewertet mit 3 Sternen

Dreizehn ist Juan, als sich seine Eltern trennen. Seine Mutter ist völlig durch den Wind, sein Vater gerade in Paris, um eine Brücke zu bauen, denn er ist ein berühmter Ingenieur. Damit seine Mutter die nötige Ruhe hat, um alles Notwendige für die Scheidung zu klären, beschließt sie, Juan in den Ferien zu seinem - sagen wir es mal vorsichtig - etwas durchgeknallten Onkel Tito zu schicken. Dieser Onkel hat irgendwo in Mexiko-Stadt ein scheinbar riesiges Haus, das aus einem Labyrinth der Bücher zu bestehen scheint. Es ist so undurchsichtig für jemanden, der sich nicht auskennt, dass Onkel Tito Juan ein Glöckchen mitgibt für den Fall, dass er sich verirrt, damit er gehört und gefunden wird. Onkel Tito ist nicht nur (vollkommen, aber harmlos) irre, sondern auch überzeugt davon, dass Bücher ein Eigenleben führen. Sie suchen sich ihren Leser, ihren perfekten Leser, wie er Juan erklärt, was der Grund dafür ist, warum manche Bücher sich nicht an den Stellen wiederfinden lassen, wo sie hingestellt wurden. Mehrere Ereignisse bestätigen Onkel Titos Behauptungen (was ihn nicht weniger verrückt sein lässt) und dann ist da auch noch dieses - das eine - Buch, welches nur von einem wahren Lector Princeps gefunden und gelesen werden kann: das wilde Buch. Juan, der mit Lesen und Büchern eigentlich so gar nichts am Hut hat, ist ein solcher Lector Princeps, ein Fürst unter den Lesern. Behauptet Onkel Tito. Und er bittet ihn, das wilde Buch für ihn zu finden ...

Natürlich sind viele Sachen, die in dieser Geschichte angeschnitten werden, nur Metaphern für das Heranwachsen eines Kindes zu einem Teenager oder jungem Erwachsenen. Dass sich im Haus verirren, die Scheidung der Eltern, der verrückte Onkel, der alle drei Sätze, die er spricht, aufs Klo muss, das sich Wiederfinden Juans in völliger Dunkelheit mit dem Ausbruch ins Helle, die erste Liebe, das Verändern von Büchern durch verschiedene Wahrnehmungen, all das sind Probleme und Erfahrungen, die Jugendliche auf der ganzen Welt hatten und immer haben werden. Verpackt in eine phantastische Geschichte hätte dieses Jugendbuch eigentlich wirklich zauberhaft sein müssen, und doch konnte ich es nicht so empfinden. Vielleicht ist mir einfach die Mentalität der Mexikaner zu befremdlich, möglicherweise war mir Juan auch manchmal zu kindlich. Dass ausgerechnet er mit Catalina die erste, große Liebe erlebt, war für mich nicht nachvollziehbar. Allgemein bekam ich keinen ernsthaften Zugang zu den Protagonisten, sie blieben für mich alle zu distanziert und auf gewisse Art waren sie mir gleichgültig. Dabei ist das Buch trotzdem gut zu lesen, wenn auch viele Sachen sich wiederholten (die immer währenden Verrücktheiten des Onkels) und dabei nur deshalb haarscharf an Langeweile vorbeischrammten, weil das Buch so kurz war.

Fazit: Nette Idee, die mich jedoch nicht mitreißen oder gänzlich überzeugen konnte.