Rezension

Ehrlich, intensiv, beeindruckend. Ein absolutes Muss!

Ein ganzes halbes Jahr - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr
von Jojo Moyes

Bewertet mit 5 Sternen

Als die 26jährige Louisa Clark ihren Job in dem kleinen Café verliert, fällt sie in ein tiefes Loch. Nach der Schule hat sie nichts aus ihrem Leben gemacht, keinen Beruf erlernt. Sie lebt bei Ihren Eltern, ist seit 7 Jahren mit ihrem Freund Patrick zusammen, obwohl sie ihn gar nicht liebt. Sie hat es sich in ihrer Komfortzone bequem gemacht. Als sie zu x-ten Mal bei Ihrem Jobberater sitzt und eigentlich keine Hoffnung mehr hat, wird sie zu einem Bewerbungsgespräch geschickt, das gerade eingegangen ist. Eine gut bezahlte, befristete Anstellung als Pflegekraft / Gesellschafterin für einen Querschnittsgelähmten Mann.

Will Traynor war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der das Leben in allen Bereichen und in vollen Zügen ausgekostet hat, immer wieder über seine Grenzen gegangen ist, ohne jedoch leichtsinnig zu werden. Bis er von einem Motorradfahrer angefahren wird und im Rollstuhl landet. Das war vor 2 Jahren, und inzwischen weiß er, dass sein Leben nie wieder so sein wird wie vor dem Unfall, denn Tetraplegie ist nicht zu heilen oder zu lindern, und er weiß dass er dieses Leben nicht führen will.

Louisa wird aufgrund ihrer Kommunikativität und ihrer Lebensfreude eingestellt, und als die beiden auf einander treffen, gestaltet es sich zunächst schwierig. Doch sie gewöhnen sich an einander, nähern sich an, lernen von einander, und besonders Louisa kommt durch Will aus ihrem Schneckenhaus, nimmt ihre Scheuklappen ab und erweitert ihren Horizont – und dann erfährt sie, warum sie wirklich engagiert wurde: Will wollte seinem Leben ein Ende setzen. Nachdem man ihn gefunden und wiederbelebt hat gibt er seiner Familie das Versprechen eines halben Jahres, bevor er Sterbehilfe in Anspruch nehmen will.

 

Dass dieses Buch intensiv werden würde, war mir von Anfang an klar. Ich habe bereits andere Bücher der Autorin gelesen und mich sofort in ihren Schreibstil verliebt. Sie versteht es, den Leser zu fesseln und besonders von der Protagonistin ein derart einfühlsames und liebevolles Bild zu zeichnen, dass man meint, sie schon Jahre zu kennen. Ich habe so sehr mit ihr gefühlt, ob auf oder ab, mit ihr gefiebert und gehofft. Gleichzeitig erhält man einen Einblick darin, wie die Welt und das Leben von Querschnittsgelähmten aussieht, auch durch das Forum, in dem Louisa recherchiert. Und auch, als Will ihr seine Beweggründe offenbart, wie es in ihm aussieht. Das ging mir wirklich ans Herz.

Es war etwas seltsam, dieses Buch zu lesen. Wie immer kommt die Geschichte immer mehr in Fahrt, je weiter sie sich dem Ende nähert, ich konnte also kaum aufhören, und trotzdem hatte ich Angst vor dem Finale. Weil diese Liebesgeschichte so ungewöhnlich ist und man nicht wirklich weiß, ob Louisa es schafft, Wills Entschluss abzuwenden.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich noch nie so gelitten habe wie bei diesem Buch, und obwohl ich es bereits vor einigen Tagen beendet habe, klingt es noch immer nach, und die Erinnerung verursacht mir einen dicken Kloß im Hals.

Die Autorin hat es verstanden, die gesamten Umstände  und die Geschichte zu schildern, ohne zweifelhaftes Mitleid zu erschaffen oder das Gefühl hervorzurufen, dass man jetzt meint, man wüsste, wie Querschnittsgelähmte fühlen und denken. Vielmehr hat sie es geschafft, mich nachdenklich zu stimmen, Respekt in mir wachzurufen. Für den Willen, sich diesem neuen Leben entgegenzustellen und es anzunehmen – oder sich aktiv zu entscheiden, dass die 100%ige Abhängigkeit von anderen und die vollkommene Eingeschränktheit eben nicht das Leben sind, das man führen will.

 

Mein Fazit: Wer keine Angst, die Geschichte intensiv mit zu erleben und mit zu fühlen, sollte dieses Buch gelesen haben. Eines meiner absoluten Favoriten – ehrlich, intensiv, beeindruckend.