Rezension

Eigen, ironisch, exquisit

Imperium - Christian Kracht

Imperium
von Christian Kracht

Bewertet mit 5 Sternen

„Die deutschen Schutzgebiete im Stillen Ozean, hierin stimmten die Experten überein, waren im Gegensatz zu den afrikanischen Besitzungen seiner Majestät, Kaiser Willhelms II, allesamt vollkommen überflüssig.“… „Im fernen Berlin aber sprach man von den Inseln wie von kostbaren, leuchtenden Perlen, zu einer Kette aufgereiht.“

„Nun, in diese Zeit fällt diese Chronik, und will man sie erzählen, so muss auch die Zukunft im Auge behalten werden, denn dieser Bericht spielt ganz am Anfang des 20. Jahrhunderts, welches ja bis zur knappen Hälfte seiner Laufzeit so aussah, als würde es das Jahrhundert der Deutschen werden, das Jahrhundert in dem Deutschland seinen rechtmäßigen Ehren- und Vorsitzplatz an der Weltentischrunde einnehmen würde und es wiederum aus der Warte des nur wenige Menschenjahre alten neuen Jahrhunderts, durchaus auch so erschien.“

Eigentlich habe ich darüber nachgedacht, ob es wohl möglich ist, eine Rezension komplett aus Zitaten zusammenzusetzen, weil der Text so allerliebst ist.

„So wird nun stellvertretend die Geschichte nur eines Deutschen erzählt werden, eines Romantikers, der, wie so viele dieser Spezies, ein verhinderter Künstler war und wenn dabei manchmal Parallelen zu einem späteren deutschen Romantiker und Vegetarier ins Bewusstsein dringen, der vielleicht lieber bei seiner Staffelei geblieben wäre, so ist dies durchaus beabsichtigt und sinnigerweise, Verzeihung, in nuce auch kohärent. Nur ist Letzterer im Augenblick noch ein pickliger, verschrobener Bub, der sich zahlreiche väterliche Watschen einfängt. Aber wartet nur, er wächst. Er wächst!“

„Imperium“ macht Spaß und erzählt eine wahre Geschichte. 
August Engelhardt hat Anfang des 20.Jhd. die Insel Kabakon gekauft, um dort eine Kokosplantage zu betreiben und eine Kolonie der Kokovoren zu gründen. Er war überzeugter Vegetarier und Nudist und zu der Überzeugung gelangt, dass die Kokosnuss als Frucht, die der Sonne am nächsten wächst, die vollkommenste Nahrung des Menschen darstellt. 
In erlesenem Erzählstil und mit bissigster Ironie erzählt Christian Kracht die Geschichte eines Individualisten, der eine Idee hat, sie lebt und sich in dieser Idee verrennt, bis sie absurde Formen annimmt. Man liest, staunt und amüsiert sich, selbst wenn es immer finsterer wird.
Dies ist ein Buch, das man mehrmals lesen kann. Beim ersten Mal liest man eine kuriose historische Begebenheit. Aber je länger man darüber nachdenkt, desto mehr feinsinnige Anspielungen findet man. Es steckt noch sehr viel mehr darin.

Ich habe dieses Buch mit Begeisterung gehört, auch wenn ich mich erst an die Erzählerstimme gewöhnen musste. Aber je länger man hört, desto passender ist sie. Ein sehr eigener Erzähler für ein sehr eigenes Buch. Großartig!