Rezension

Ein absolutes Highlight

Liebe ist was für Idioten. Wie mich. - Sabine Schoder

Liebe ist was für Idioten. Wie mich.
von Sabine Schoder

Bewertet mit 5 Sternen

Nach einigen literarischen Fehlgriffen in der letzten Zeit sehnte ich mich nach einer Geschichte, von der ich mich mitreißen lassen und mich komplett in ihr verlieren kann. Als ich auf dem Buchrücken von "Liebe ist was für Idioten. Wie mich." den verheißungsvollen Klappentext las, war ich sehr skeptisch. Denn schon viele Bücher wurden in den Himmel gelobt, die am Ende eher enttäuschend für mich waren. Versprochen wurde mir, dass es eine besondere Liebesgeschichte. So echt, dass sie weh tut – und so berauschend, dass sie süchtig macht. Und genau das habe ich auch bekommen … 

Um Vikis Leben zu beschreiben, müssten erst einige Worte neu erfunden werden. Denn Worte wie Vollkatastrophe, Desaster oder Ausweglosigkeit beschreiben es nicht im Entferntesten. Ihre Mutter ist vor vielen Jahren gestorben und seitdem lebt sie mit ihrem Vater, der ständig volltrunken ist, in einer verdreckten kleinen Wohnung. Und immer wenn Viki denkt, das Leben könne nicht noch beschissener sein, steuert die nächste Katastrophe direkt auf sie zu. Ihr Herz versucht die zahlreichen anderen Wunden, die ihr Exfreund verursacht hat, zu heilen. Da kann man schon mal aus Frust ein paar Tüten zu viel rauchen, um sich komplett zu vergessen und ihren Schmerz zu betäuben. Als Viki nach einem ausschweifenden Abend neben Jay - einem Typen, den man eigentlich total bescheuert findet – erwacht und sich an nichts erinnern kann, ahnt sie noch nicht welche Folgen diese unangenehme Situationen für sie beide haben wird.

Zugegeben, diese Beschreibung erinnert vielleicht an die eine oder andere gelesene Liebesgeschichte aus der Vergangenheit. Jedoch sollte man hier seine Vorurteile schnellstmöglich über Bord werfen und dieses Buch lesen, denn diese Geschichte ist alles andere als gewöhnlich.
"Liebe ist was für Idioten. Wie mich." wird aus zwei sich abwechselnden Perspektiven von Viki und Jay erzählt. Beide ergänzen sich vortrefflich und man erfährt vieles von den Schwierigkeiten aus ihrem alltäglichen Leben und ihrer Gefühlswelt. Während Viki fast jeden Gedanken und jede Gefühlsregung mit dem Leser teilt, bemerkt man bei Jay, dass ihn etwas sehr belastet. Ein dunkles Geheimnis, das er tief in seinem Innersten verborgen hat. Jedoch fördert jede weitere Begegnung mit Viki etwas davon zu Tage. 

„Seit du da bist, ist jede Sekunde es wert, gelebt zu werden. Seit du da bist, füllt sich meine Zukunft wieder mit Bildern“ Seite 310

Einen schönen Kontrast bieten auch die Familien der beiden Hauptprotagonisten, denn beide könnten nicht verschiedener sein: Jays Familie muss sich keine Gedanken über Geld machen, denn sein Vater verdient genug davon. Zusammen leben sie in einem wunderschönen Haus, das stark an eine Zeitschrift mit Einrichtungstipps erinnert. Und doch hat man bei dieser Familie das Gefühl, dass sie alles andere als glücklich sind mit ihrem Leben. Vikis Familie gleicht eher einer großen Last, mit der sie sich arrangiert hat. Besonders eine Fähigkeit ist bei dem Zusammenleben mit ihrem stets betrunkenen und verbitterten Vater von Vorteil: Die Fähigkeit sich unsichtbar zu machen. Viki führt ein Leben, um das sie wohl niemand beneidet. Sie schafft es immer wieder, von einer Misere in die nächste zu schlittern. Jedoch ist sie kein Mensch, der sich stets in die Opferrolle begibt. Sie hadert nicht mit ihrem Schicksal oder badet im Selbstmitleid. 

Sabine Schoder hat mich mit "Liebe ist was für Idioten. Wie mich." wirklich sehr überrascht. In ihrem starken Debüt vermischt sie ein schweres Thema mit einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte und viel dunklem Humor. Trotz einiger Metaphern, beschreibt Schoder mit klaren Worten die Ereignisse um Jay und Viki, zwei Protagonisten, die mit ihrem Schicksal zu kämpfen haben, aber nie machtlos wirken. Nicht zuletzt wegen einer Waffe, die Schoder ihnen auf den Leib geschrieben hat: Sarkasmus. Beide literarische Figuren können diese Waffe gezielt einsetzen und bereiten dem Leser mit ihren lebendigen und bissigen Dialogen, ein besonderes Lesevergnügen. Um ihre beachtenswerten und authentischen Charaktere hat die Autorin eine sehr einnehmende Handlung gesponnen, die zu keiner Zeit eintönig wirkt. Nach vielen gelesenen Kapiteln kam eine Wende, mit der ich nicht gerechnet hätte. Jedes andere Buch wäre mit dieser Thematik sofort zurück in das Regal, oder besser sofort verbannt worden, weil dieses Thema in vielen Romanen breitgetreten wird. Aber auch hier glänzt die Autorin mit Ideenreichtum und überzeugt auf ganzer Linie.

Sabine Schoder hat mich selbst mit ihrer Danksagung zum Schmunzeln gebracht. Dort schrieb sie, dass sie am liebsten in jede Ausgabe eine Spion-Kamera eingebaut hätte um die Reaktion ihrer Leser mitzuerleben. Liebe Frau Schoder, da hätten Sie wohl einiges mehr zu tun gehabt, denn Ihre Geschichte ist umwerfend und ruft viele wunderbare und unbeschreibliche Gefühle hervor. Der Leser erlebt Ihr Buch so intensiv, weil Sie ihn an der Handlung teilhaben lassen und sich ganz heimlich in Ihre Figuren verliebt. Er lebt und lacht, leidet und weint mit ihnen. Und mal ganz unter uns: Diese Idee hätten sie sich mal patentieren lassen sollen!