Rezension

Ein äußerst seltsames Buch über eine äußerst seltsame Familie

Die äußerst seltsame Familie Battersby - E. Archer

Die äußerst seltsame Familie Battersby
von E. Archer

Bewertet mit 4 Sternen

Story und Charaktere:

In Ralphs Familie ist es strengstens verboten, sich etwas zu wünschen. Sogar Wünsche beim Ausblasen der Kerzen am Geburtstag sind nicht erlaubt. Jedes Mal, wenn sich in seiner Familie jemand etwas wünscht, passieren nämlich die seltsamsten Dinge. Beim letzten Wunsch ist der Sohn von Tante Chessie spurlos verschwunden. Seitdem gilt das Wunschverbot.
Außerdem hält Ralphs Familie sich vom Rest der Familie fern, was Ralph überhaupt nicht versteht. Als er von seiner britischen Tante Gertie auf deren Schloss eingeladen wird, zögert Ralph deshalb nicht lange und reist, ohne seine Eltern davon in Kenntnis zu setzen, ab.
Dort angekommen ist alles etwas seltsam. Ralph muss direkt mit auf eine Beerdigung, dann erst geht es zum Schloss, wo er ganz allein im Torhaus einquartiert wird.
Schnell freundet er sich mit seinem Cousin Cecil und seinen Cousinen Daphne und Beatrice an und trifft schließlich auf Tante Chessie.
Seine Tante und sein Onkel versuchen die Kinder mit aller Macht von dieser fernzuhalten, denn Tante Chessie stellt sich gegen das Wunschverbot und will allen vier Kindern einen Wunsch gewähren. Als sie schließlich damit beginnt, nimmt das Abenteuer seinen Lauf.

Der Hauptcharakter Ralph kann wohl zurecht als Nerd bezeichnet werden. Leider verbringt er seine Zeit lieber mit Computerspielen und technischen Dingen aller Art, als sich mit anderen Menschen abzugeben. Vor allem mit Mädchen hat er nichts am Hut.
Als er jedoch seine britische Verwandtschaft besucht, ändert sich so einiges in Ralphs Leben. Plötzlich steckt er mitten in den ungewöhnlichsten Abenteuern, in denen er vom Freak zum Helden mutieren muss. Zwar löst er diesen Übergang auf recht unbeholfene Art, doch macht eben diese ihn sehr sympathisch. Ralph muss beweisen, wie viel Grips er besitzt und wie viel Mut er hat. Da ihn die neuen Situationen verständlicherweise oftmals verwirren, kann er einem beim Lesen manchmal ganz schön leid tun. Der Autor schickt Ralph durch die gesamte, ihm zur Verfügung stehende Palette an Emotionen, die sich wie eine Achterbahn für Ralph entpuppt.
Ihm gegenüber stehen seine zwei Cousinen und sein Cousin. Cecil und Beatrice gehört jeweils ein eigener Trakt des Schlosses, was immer wieder zu Streitereien unter den Geschwistern führt. Cecil ist dabei das Gegenteil von Ralph. Er ist ein absoluter Draufgänger und Abenteurer – wie sehr er Abenteuer liebt, zeigt auch sein späterer Wunsch, der den Titel „Die Elfenrebellion“ trägt.
Beatrice scheint so etwas wie eine Todessehnsucht befallen zu haben, nachdem ihre leibliche Mutter gestorben ist. Sie ist distanziert, melancholisch und auch mal melodramatisch, was ihren Wunsch mit dem Titel „Die Unterwelt“ erklärt.
Daphne ist die Jüngste im Bunde, verkleidet sich gerne als Prinzessin, riecht überall Verschwörungen und ist manchmal etwas seltsam. Wie passend, dass ihr Wunsch den Titel „Die Schneekönigin“ bekommt.
Tante Chessie ist die böse „gute Fee“ des Buches, die Wunscherfüllerin, die das Chaos über die Familie bringt. Welche Motive sie dazu hat, bleibt bis zum Ende offen und hält Überraschendes bereit.
Neben diesen Charakteren finden sich viele weitere Charaktere, die man eigentlich nicht zusammenfassend bewerten kann, weil sie so unterschiedlich, zum Teil so abstrus, sind, dass man Seiten über sie füllen kann. Hier präsentiert der Autor auf jeden Fall eine sehr ungewöhnliche Geschichte, mit einem noch ungewöhnlicheren Charaktermix.

Was mir besonders gefallen hat:

Mit diesem Buch ist mir ein Buch in die Hände gefallen, wie ich es vorher noch nie gelesen habe.
Die Geschichte ist zum Teil so absurd, an den Haaren herbeigezogen und seltsam, dass ich mich erstmal daran gewöhnen musste. Es gibt unwahrscheinlich viele Aufs und Abs und die merkwürdigsten Wendungen. Man kann sich nie sicher sein, was als nächstes passiert.
Wirklich abgedreht wird es, als sich der Erzähler anfängt sich in die Handlung einzumischen. Er interagiert sogar mit den Charakteren und stellt ganz schnell klar, mit wem er sympathisiert. Zwischenzeitlich gerät der Erzähler sogar mit einem weiteren Erzähler aneinander. In dieser ganzen Zeit lässt er den Leser hinter die Kulissen schauen, die die eigentliche Geschichte plötzlich wie ein Theaterstück präsentiert bekommen. Das alles erscheint beim Lesen sehr merkwürdig, hat am Ende aber seinen Grund, der den Leser noch einmal staunen lässt.
Natürlich dreht sich alles um das Wunschthema, das hier auf ganz besondere Art behandelt wird. Wer bisher dachte, dass Wünsche mit einem Kräuseln der Nase, dem „Pling“ eines Zauberstabes oder dem Händefuchteln und Schnipsen von Dschinns erfüllt werden, liegt total daneben. Jeder Wunsch hat seine eigene fiktive Realität, in die der Wünschende für die Dauer seines Wunsches geworfen wird. Eine Idee, die mich sehr amüsiert hat. Von genau dieser Idee lebt das Buch, purzelt Ralph doch ständig in die Wünsche seiner Verwandten und muss deshalb die wahnwitzigsten Abenteuer bestehen. So schwer hatte es bisher sicherlich noch niemand, endlich an einen eigenen erfüllten Wunsch zu kommen.

Neben all dem Humor des Buches, versteckt sich aber zwischen den Zeilen auch der ein oder andere erhobene Zeigefinger. Besonders deutlich wird dies, als sich Ralph in einem Abenteuer wiederfindet, in dem Elfen wie Sklaven gehalten und behandelt werden. Sie werden auf Elfenfarmen gezüchtet und zum Teil als Baumaterial verwendet. Der Autor spricht die Thematik der Ausbeutung zwar nicht direkt an, bringt den Leser aber dazu, stirnrunzelnd über das Ganze nachzudenken. Trotzdem kommt auch in solchen Situationen der Humor nicht zu kurz. Spätestens mit den explodierenden Kaninchen hat man wieder ein Lächeln auf den Lippen.

Wenn es diesem Buch an einer Sache nicht mangelt, dann an Kreativität. Egal ob in den Namen der Orte, den Namen der Wesen oder den einzelnen Beschreibungen, sogar die Art, wie dieses Buch letztlich funktioniert, ist ungemein kreativ. Wenn am Ende alles zusammengeführt wird, erlebt diese Kreativität ihren Höhepunkt mit einem Abschluss der besonderen Art.
Mein Lieblingsort war auf jeden Fall die Unterwelt, in der ich mich prächtig amüsiert habe. Hier gibt es einzelne Bereiche für „Eben-noch-Lebende“ und „Bald-Tote“, die eine sehr komplizierte, abstruse Gesellschaftsform aufweisen, wie sie mir noch nie begegnet ist.

Was mir nicht so gut gefallen hat:

Trotz all der positiven Punkte, fiel es mir immer mal wieder schwer, das Buch konsequent weiterzulesen. Mal lag es daran, dass ich etwas als besonders langgezogen empfand, mal war mir das „Besondere“ an diesem Buch einfach zu viel. Auch der Schreibstil war etwas, woran ich mich gewöhnen musste. Letzteres ist aber wohl vor allem Geschmackssache.

Gestaltung:

Passend zum Titel finden sich auf dem Cover sieben äußerst seltsam aussehende Personen, ein Hase und eine Elfe, die zusammen vor einem Schloss posieren. Sie stehen auf einem hellen Boden mit Schachbrettmuster und werden von seltsamen, schwarzen Verästelungen umrahmt, die mich sofort an Tim Burton denken ließen.
Besonders gefallen mir die Farbgebung des auffälligen Covers und der Stil, wie die Figuren gezeichnet sind. Beides hat mich auf das Buch aufmerksam gemacht. Ein sehr passendes Cover für diese äußerst seltsame Geschichte.

Wertung:

Dieses Buch empfehle ich allen Fantasylesern, die auf der Suche nach etwas Neuem und Anderem sind und die nichts gegen Absurdität, Wahnwitz und einen deftigen Humor haben. Wer ebenfalls glaubt, dass Skelette und Zombies sich nur in zwei verschiedenen Stadien des Todes befinden, ist hier genau richtig. Abzüglich meiner eigenen Kritikpunkte, vergebe ich 4 Lila-Lesesterne und eine Leseempfehlung an dieses äußerst seltsame Buch.