Rezension

Ein anspruchsvolles Debütwerk, das neugierig macht auf weitere Kinderbücher von Pei-Yu Chang.

Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin - Pei-Yu Chang

Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin
von Pei-Yu Chang

Bewertet mit 5 Sternen

Pei-Yu Chang, Der geheimnisvolle Koffer von Herrn Benjamin, Nord Süd Verlag 2017, ISBN 978-3-314-10382-7

 

Es gab ihn wirklich, jenen geheimnisvollen Koffer, den der deutsch-jüdische Philosoph Walter Benjamin als letztes bei sich hatte, als er versuchte, über die „F-Route“ über die schmalen Pfade der Pyrenäen in die Freiheit zu flüchten, die ihn nach Amerika, wie viele seiner Freude oder nach Südamerika bringen sollte. Und es gab sie wirklich, jene Lisa Fittko, die zwischen 1940 und 1941 viele Menschen über diese Route in die Freiheit führte, bevor sie selbst aus Europa fliehen musste.

 

In „Der geheimnisvolle Koffer des Herrn Benjamin“ erzählt Pei-Yu Chang als Abschlussarbeit ihres Studiums bei Professor Felix Scheinberger die Geschichte der Flucht Walter Benjamins und seinem verschwundenen Koffer.

 

Die schwierige Aufgabe, ein solches Thema für Kinder in Wort und Bild aufzubereiten, hat Pei-Yu Chang meiner Meinung nach hervorragend gelöst. Eine Kritikpunkt habe ich: ganz zu Beginn des Buches stellt sie den Kindern Walter Benjamin als ein Philosoph vor, der „brillante Ideen aller Art“ hatte. Und weil das Land, in dem er lebte, diese Ideen für gefährlich hielt, wollten seine Soldaten ihn  verhaften. Dass Walter Benjamin aber auch verfolgt wurde, weil er ein Jude war, wird nicht benannt.

 

Mit sehr eindrucksvollen Bilder illustriert, beschreibt sie die Flucht und dass Frau Fittko ihm rät, nur die allernötigsten Sachen mitzunehmen. Der Koffer ist sehr schwer, und Herr Benjamin weigert sich ihn zurückzulassen: „Was in diesem Koffer ist, kann alles verändern. Er ist mir das Allerwichtigste, wichtiger als mein Leben.“

 

Im Gegensatz zu den anderen in der Gruppe, die unter der Leitung von Frau Fittko gemeinsam den Weg über die Berge gemacht haben, wird Walter Benjamin an der Grenze zu Spanien zurückgewiesen.  (Tatsächlich hat es einen Grenzübertritt gegeben. Erst danach erfolgte der Suizid, wohl aus Angst, doch noch inhaftiert zu werden).Der Selbstmord von Benjamin wird nicht thematisiert. Chang schreibt: „Dann war er verschwunden- und mit ihm sein Koffer, der ihm so wichtig gewesen war.“ Im letzten Drittel des Buches erzählt sie von den verschiedenen Lesarten und Theorien, was wohl in dem geheimnisvollen Koffer gewesen sein könnte. Es muss wohl etwas ganz Außergewöhnliches gewesen sein.

 

Mit dem Bild des tatsächlich verschwundenen geheimnisvollen Koffers macht die Autorin den Kindern Lust auf Geschichte, auf Ideen und ihre Bedeutung. Die Überzeugung, dass Ideen weiterleben und auch nach über sieben Jahrzehnte für heutige Menschen eine Bedeutung haben können, wird überzeugend dargestellt.

 

Ein anspruchsvolles Debütwerk, das neugierig macht auf weitere Kinderbücher von Pei-Yu Chang.