Rezension

Ein atmosphärischer Fantasy-Einzelroman

Irrlichtfeuer - Julia Lange

Irrlichtfeuer
von Julia Lange

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich muss es zugeben, mit dem Slogan „Für Fans von Trudi Canavan“ hatten sie mich und das Buch geriet in mein Radar. Was ich an Canavans Bücher am meisten schätze, ist der atmosphärische, ausführliche Schreibstil und die thematische Fokussierung auf Magie. Beides schien hier gegeben zu sein, denn mit 522 Seiten in recht kleiner Schrift ist dieses Buch nicht kurz und mit dem Irrlicht ist Magie Hauptthema. Allerdings zugegebenermaßen nicht so, wie ich es mir vorgestellt und erhofft hatte.
In diesem Buch gibt es mehrere Protagonisten denen eine eigene Erzählperspektive gewidmet ist und bei allen geht es mehr oder weniger um das Irrlicht-Gas.
Albertina, genannt Alba, nimmt einige Risiken auf sich, um ihren Traum vom Fliegen zu verwirklichen. Sie schleppt sich, wann immer sie kann und ihre kräftezehrende Krankheit es ihr erlaubt, in ihre Werkstatt um dort an ihrer Flügelkonstruktion weiterzuarbeiten.
Kasimir, genannt Kass, und Sora sind sogenannte Irrlichtkinder. In ihrer Kindheit arbeiteten sie bei der Irrlichtförderung und wurden bei einer verheerenden Katastrophe mit Irrlicht infiziert, können es nun speichern und dadurch Magie anwenden, sind aber auch abhängig vom Irrlicht wie von einer Droge. Ihre Aufgabe ist es als Soldaten für die Sicherheit von Irrlichttransporten zu sorgen. Irrlichtkinder werden von der Bevölkerung jedoch gefürchtet.
Karel, genannt „der Graf“, ist der Anführer eines Stadtteils von Ijsstedt und damit Oberhaupt von einer Bande Verbrecher genannt „die Rothen“, die sich in Konkurrenz mit den anderen Stadtteilen befinden. Alle versuchen Irrlicht zu erhalten und es gewinnbringend zu verkaufen. Sein Stellvertreter und Sohn Rafael ist dabei nicht immer seiner Meinung.
Meret hat während des letzten Irrlicht-Unfalls in der Stadt ihre Familie verloren und sammelt andere Trauernde um sich um gegen die Förderung des Irrlichts zu demonstrieren.

Obwohl die Zusammenstellung der Charaktere bunt gemischt ist und recht viele Figuren auftauchen, wurde es zu keiner Zeit unübersichtlich und die Sympathien für die Protagonisten haben sich recht schnell entwickelt. Allen voran gefiel mir Alba am besten, vor allem da sie sich trotz ihrer Krankheit nicht einsperren lässt, ihrem Traum vom Fliegen nachgeht und sich letztlich sogar weiterentwickelt statt vor dem vermeindlich nahen Tod zu resignieren.
Nach und nach treten  immer mehr Details über die Charaktere zu Tage und die Handlung wird, je mehr man erfährt und die zu Beginn getrennten Handlungsstränge mehr und mehr zusammenwachsen, komplexer. Dass es einen Antagonisten gibt und welche Absichten dieser vertritt, stellt sich erst allmählich heraus. So war es lange Zeit noch ungewiss auf welche Art Finale das Buch hinauslaufen könnte.
Langes Schreibstil schafft es die Atmopshäre in der Stadt prima einzufangen und wiederzugeben.  Ein nettes Feature, das dies fördert ist die schlichte, aber farbige Karte, die in den Buchdeckeln abgedruckt ist. Allerdings hatte ich es zu Beginn recht schwer in die Geschichte hineinzufinden, da die sie unmittelbar beginnt und wichtige Details vor allem um das Irrlicht und die Irrlichtkinder sich nur aus dem Zusammenhang ergeben und es keine wirkliche Erklärung gibt. Auch die politische Struktur der Stadt war für mich undurchsichtig. Auf der einen Seite gibt es eine Königin und einen Rat, doch auch die „Oberhäupter“ der Bezirke treffen sich und nennen dies „Parlament. Vor allem die Königin, die zwar nur eine Randfigur darstellt, bleibt blass und ihre Stellung ist sehr fragwürdig. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Detailwissen gewünscht. Für das Buch ist diese Vorgehensweise zwar schon passend, ich für mich empfand es aber dennoch als schade, da meinem Empfinden nach vor allem der Irrlicht-Magie so etwas die Tiefe genommen wurde. Letztlich ist dies auch das einzige, was mir an diesem Buch negativ auffällt. Es ist seht stimmungsvoll und atmosphärisch, die Protagonisten gefallen mir gut, aber es hätte auch noch ein kleines Schippchen mehr Details zur Magie und Politik für noch mehr Atmosphäre, Tiefe und letztlich auch Spannung gesorgt. Schön finde ich, wie das Motiv „Liebe“ in die Geschichte eingewoben wurde. Bei manchen Figuren ist sie die Triebfeder für die Handlung, bei anderen fehlt sie gänzlich. Ich bin mit mir auch noch uneins, ob ich die Abwesenheit von einer Liebelei oder zumindest eine Andeutung von Gefühlen bei bestimmten Protagonisten an passender Stelle nun schade finden soll oder ob die Geschichte gerade durch die Abwesenheit an Authetizität gewinnt. Letztlich trifft wohl beides etwas zu.

Fazit: Mit Irrlichtfeuer ist Julia Lange ein schöner, atmosphärischer und in sich geschlossener Fantasy-Roman gelungen. Es hat zwar zahlreiche Protagonisten und Figuren, dennoch ist es nicht unübersichtlich. Im Gegenteil, mir hat sehr gut gefallen, wie die Handlungsstränge sich nach und nach verwoben und in einem spannenden Finale mündeten. Es hätten noch mehr Details über das Irrlicht und die Politik in der Stadt in die Geschichte eingebaut werden können, um noch mehr Tiefe zu erzeugen, doch auch so wirkt das Buch bei diesem Umfang solide und komplett. Meist neigen fantastische Einzelbäde dazu, entweder unübersichtlich oder oberflächlich zu sein. Beides trifft auf dieses Werk nicht zu. Ich bin gespannt, was Lange der Leserschaft als nächstes präsentiert.