Rezension

Ein Bauernmädchen mit dem Herz einer Fürstin

Der Fürst und das Bauernmädchen - Mia Wagner

Der Fürst und das Bauernmädchen
von Mia Wagner

Bewertet mit 4 Sternen

Meinung:

Das Bauernmädchen Katja hat ihren ganz eigenen Kopf, der aber nicht von Trotz herrührt, sondern dessen Ursprung darin findet, anderen helfen zu wollen. Sie sammelt heimlich Kräuter im Wald um ihrer - in die Jahre gekommenen - Freundin Josepha zu helfen. Als ein starkes Unwetter aufzieht, sucht sie Schutz in der Waldhütte des Fürsten. Eine unvorhersehbare Komponente, die ihre ganze Welt auf den Kopf stellt.

>>Bitte, Herr, stellt mir nicht solche Fragen. Es ist so unschicklich.<< [...] >>Schicklichkeit wird überbewertet, kleine Waldnymphe.<< Er klang beinahe freundlich, wenn auch recht nüchtern. >>Sie ist nichts als eine Fessel, die dich daran hindert, deine Wünsche auszuleben<<

Der Fürst Nicolea Grigore hat mich mit seinem Verhalten ganz schön erschreckt. Ein Mann in seinem Stand nimmt sich, was er begehrt. Auch vor dem Flehen der jungen Frau hat er kein Erbarmen. Sein Ruf eilt ihm voraus, er gilt als hart und unnachgiebig und diesen Wesenszug lernt Katja unverblümt kennen. Ihre Empfindungen ihm gegenüber, sind eine Mischung aus Angst, Abneigung und Neugier, da er Gefühle in ihr weckt, die noch stärker sind, als ihre Liebe zu ihrem Verlobten Marius. Auf seine Weise ist er ihr dann doch entgegengekommen. Für das Bauernmädchen selber ist es nur ein Aufschub, doch dieses kleine Eingeständnis von ihm, war der erste Blick auf den Nicolea, den er Jahre zuvor, tief in sich verschlossen hat. 

Katja weckt in ihm einen Besitzanspruch, der über reine körperliche Befriedigung hinausgeht. Für ihn ist sie nicht nur eine hübsche und austauschbare Hülle die er Unterwerfen möchte. Sie vermag es in sein Innerstes zu Blicken und hinter die anfänglich grobe und unnachgiebige Fassade.

>>Angst zu haben ist keine Schande, kleine Waldnymphe. Sie wird oft missverstanden, dabei schärft sie deinen Instinkt. Das kann dir unter Umständen sogar das Leben retten.<<

Wir erhalten hier einen Einblick, in eine längst vergangene Zeit, bei der man meinen könnte, dass der Zusammenhalt einer Familie unerschütterlich ist. Doch weit gefehlt. Katjas Eltern haben mich im wahrsten Sinne des Wortes zur Weißglut gebracht. Jeder macht Fehler im Leben. Die einen wiegen schwerer als die anderen, dennoch kann ich es einfach nicht nachvollziehen, wie man so viel Desinteresse am Wohl der eigenen Kinder zeigt. Selbst ihren beiden jüngeren Schwestern, wird nicht mehr liebe entgegengebracht. Ein Vater sollte seine Tochter vor allem Übel schützen oder zumindest im Nachhinein die notwendigen Maßnahmen ergreifen, hier hingegen lässt man sie mit ihrem Kummer allein, getreu dem Motto "selbst schuld" - diese Szenen haben mich sprachlos zurückgelassen.

>>Ich fürchte das Feuer nicht mehr<<, erwiderte sie. >>Es spendet auch Wärme und Licht. Ich habe nicht vor, mich daran zu verbrennen.<< Statt böse zu sein, nistete sich ein Schmunzeln in seinen Mundwinkel ein.

Nicolea strahlt eine Abneigung nach außen, die er andere spüren lässt. Dabei ist dieses Verhalten ein Groll, den er gegen sich selbst richtet. Als ein Attentat auf seine Eltern und Geschwister verübt wurde, hat Igor ihm zur Flucht verholfen. Er war sicher in seinem Versteck, doch jeder der für ihn von Bedeutung war, hat auf brutale Weise sein Leben gelassen. Hätte er sein Versteck verlassen und an der Seite seiner Familie kämpfen sollen? Hätte er wirklich eine Chance gehabt? Diese Fragen zermürben Nicolea und die Erinnerungen lassen diesen unerbittlichen Hass, der ihn bereits über viele Jahre begleitet, immer wieder aufflammen.

Der Mut der jungen Frau grenzt schon fast ein Wahnsinn und ist an Waghalsigkeit nicht mehr zu übertreffen. Den Unmut der Menschen in ihrem Dorf auf sich gezogen, riskiert Katja noch viel mehr, als sie zufällig Zeuge eines Plans wird, der dem Fürsten den Kopf kosten und einen weiteren Krieg anzetteln könnte. Doch reichen zwei Nächte mit Nicolea um ihr so viel Vertrauen entgegenzubringen, dass er sich gegen seinen Lebensretter und engsten Vertrauten stellt?

Charaktere:

Katja besitzt alles, was eine Fürstin braucht - Schönheit, Loyalität, Mut und Stärke - doch die wichtigste Voraussetzung fehlt ihr: Ein Titel. Als Bauernmädchen steht sie in der Hierarchie ganz unten, weshalb sie niemals die Braut des Fürstens sein kann. Ist sie bereit eine andere Frau an Nicoleas Seite zu akzeptieren, die seine Nachfolger gebärt? 

Nachdem Nicoleas Familie ermordet wurde, starb der Teil seiner Menschlichkeit, der für Mitgefühl und Liebe verantwortlich war, doch Katja zerrt sein früheres ich wieder an die Oberfläche und macht ihn damit verletzlich. 

Schreibstil:

Mia Wagner hat uns in der Zeit zurückversetzt und uns dabei eine Welt offenbart, in der Mut und Loyalität eine Tugend ist, die nur noch selten zu finden sind. 

Die Protagonistin Katja übernimmt hier eine heldenhafte Vorbildfunktion, indem sie mit Nächstenliebe beeindruckt und Selbstlosigkeit zeigt, als sie auch ihre letzte Möglichkeit auf ein einigermaßen erträgliches Leben mit ihrem Verlobten verfallen lässt um andere zu schützen. Sie hat einiges riskiert und das, obwohl ihr bewusst war, dass sie eine Anschuldigung gegen jemanden ausspricht, für den First Nicolea die Hand ins Feuer legen würde.

Allein die Ausdrucksweise in diesem Roman, lässt beim Lesen eine Welt entstehen, die unserer in keinsterweise ähnelt. Zwangsehen werden geschlossen, die das Ausleben der wahren Liebe unmöglich gestalten. Trauer, Eifersucht und der Wunsch nach Anerkennung und Macht, lassen hier gleich mehrere Charaktere zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen, die uns eine Spannungswelle nach der nächsten erleben lassen.

Der Rahmen um unsere Protagonisten ist rundum gelungen, Sinnlichkeit und Nervenkitzel durch neue Erfahrungen, die unschuldige Katja, die mit ihrer Offenheit eine längst verloren geglaubte Seite von Nicolea zu neuem Leben verhilft und Spannung durch die gesponnenen Intrigen der Menschen, deren Masken langsam verrutschen. Lediglich bei den Nebencharakteren hätte ich mir etwas mehr Einblicke gewünscht. So hat sich mir stellenweise die Frage gestellt, wie das Verhältnis unserer Protagonistin zu Marius und ihren Eltern vor der Nacht im Wald ausgesehen hat. Manche Zusammenhänge lassen sich hier aus dem Verlauf der Geschichte nur wage erahnen, ebenso wie die Aufrichtigkeit der zuvor herrschenden Gefühle.

Eine tolle Geschichte, die leider viel zu schnell ausgelesen war <3