Rezension

Ein bewegender Roman, der hinter die Fassade von Menschen schaut

Kommt ein Pferd in die Bar - David Grossman

Kommt ein Pferd in die Bar
von David Grossman

Bewertet mit 4.5 Sternen

Der Comedian Dov Grinstein, genannt Dovele, ruft einen Freund aus der Jugendzeit, den pensionierten Richter Avischai Lasar, an – seit Jahrzehnten gab es keinen Kontakt zwischen beiden – und bittet ihn, zu seinem Auftritt an dessen Wohnort Netanja zu kommen; er bittet Lasar, ihn bei seiner Vorstellung zu sehen und ihm später zu sagen, was er gesehen, wie er ihn, Dovele, wahrgenommen hat. Der Richter erinnert sich zunächst gar nicht an Grinstein, lässt sich schließlich – nach anfänglichem Widerstreben, weil er mit Grinsteins Art der Comedy nichts anfangen kann – auf Dovs Bitte ein.

Zunächst erzeugt David Grossman Spannung, indem er den Leser bzw. die Leserin ahnen lässt, dass es mehr an gemeinsamer Geschichte der beiden gibt, als der Richter, zugleich der Erzähler im Buch, zu Anfang erinnert – dass es da etwas Verborgenes gibt. Mit der Zeit rückt immer mehr die Entwicklung der Personen – Grinstein und des Richters sowie weiterer Personen des Publikums – und ihres Verhältnisses zueinander ins Zentrum.

Grinstein macht Stand-up-Comedy – er erzählt Witze, erzielt Lacher auf Kosten des Publikums, wechselt die Rollen, manipuliert sein Publikum, erscheint eher als ein unangenehmer Mensch. Lasar ist zwischendurch drauf und dran, die Vorstellung zu verlassen. Doch mit zunehmender Dauer seines Auftritts entwickelt sich aus Rollenspiel und Kalauern Dovs eigene Geschichte, es schält sich heraus, wie Grinstein zu dem geworden ist, der er jetzt ist, wer er in all dem, was er da von sich gibt, ist. Dovs Geschichte verknüpft sich mit der des Richters, der in Grinsteins Erzählung zudem Zugang zu eigenem schmerzlichen Erleben findet und dessen Verhältnis zu Dov sich im Verlauf der Vorstellung wandelt. Auch das Verhältnis des Publikums zum Comedian, der auf einmal nicht mehr das erwartete Feuerwerk an Gags liefert, wandelt sich.

David Grossman dringt in seinem bewgenden Roman hinter die Fassade von Menschen und er zeigt, was sie aneinander versäumen und – in gewissem Maße – später nachholen können.