Rezension

Ein Buch, das einen spaltet

Ein sterbender Mann
von Martin Walser

Klappentext:
Theo Schadt, 72, Firmenchef und auch als „Nebenherschreiber“ erfolgreich, wird verraten. Verraten ausgerechnet von dem Menschen, der ihn nie hätte verraten dürfen: Carlos Kroll, seinem engsten und einzigen Freund seit 19 Jahren, einem Dichter. Beruflich ruiniert, sitzt Theo Schadt jetzt an der Kasse des Tangoladens seiner Ehefrau, in der Schellingstraße in München. Und weil er glaubt, er könne nicht mehr leben, wenn das, was ihm passiert ist, menschenmöglich ist, hat er sich in einem Online-Suizid-Forum angemeldet. Da schreibt man hin, was einem geschehen ist, und kriegt von Menschen Antwort, die Ähnliches erfahren haben. Das gemeinsame Thema: der Freitod. Eines Tages, er wieder an der Kasse, löst eine Kundin bei ihm eine Lichtexplosion aus. Seine Ehefrau glaubt, es sei ein Schlaganfall, aber es waren die Augen dieser Kundin, ihr Blick. Sobald er seine Augen schließt, starrt er in eine Lichtflut, darin sie. Ihre Adresse ist in der Kartei, also schreibt er ihr – jede E-Mail der Hauch einer Weiterlebensillusion. Und nach achtunddreißig Ehejahren zieht er zu Hause aus. Sitte, Anstand, Moral, das gilt ihm nun nichts mehr. Doch dann muss er erfahren, dass sie mit dem, der ihn verraten hat, in einer offenen Beziehung lebt. Ist sein Leben “eine verlorene, nicht zu gewinnende Partie"?

Beim Lesen dieses Buches war ich sehr zwiegespalten. Zum einen war da die, wie ich sie nenne „geschwollene Sprache“, deren Inhalt man oft nicht verstand, zum anderen Interesse und unterschwelliger Humor, der mich doch neugierig machte.

Zitat, Seite 154:
„Er hört sich sprechen. Er hört sich zu. Im Dunkel. Ins Dunkel hinein sagt er, hört er sich sagen: Für sich ist etwas und angerichtet, nicht fremd, aber uneigen und selbst, man muss es begreifen, dann hat man’s , nur brauchbar ist es nicht, du kannst es nicht rufen, es ist nicht es, aber eine Tätigkeit, in der du dich kennst, ich hüpfe wohl, weil mir Boden fehlt. Und dieses seltene Wohlgefühl, dass er das nicht verantworten müsse.“
Was wollte der Autor mit diesem Satz sagen? Ich habe es nicht verstanden.

Es folgten einige verwirrende Abschnitte sowie nichtssagende, unverständliche Gedichte. Dann wiederum war das Thema trotz aller Widersprüche doch interessant und teilweise sogar amüsant, ich blieb am Ball, wollte weiterlesen. Ab Mitte des Buches legte sich auch die „geschwollene Sprache“ etwas, so dass ich mit Interesse weiter dabei war.

Für mich ist die Rezension für dieses Buch eine der Schwersten.
Dies war mein erstes Walser-Buch. Und auch jetzt noch schwanke ich zwischen Zufriedenheit und Kopfschütteln. Wenn mir jemand Briefe, so wie Theo Schadt sie im Buch verfasste, zugesandt hätte, hätte ich mitnichten gedacht, der Verfasser hat nicht  mehr alle Tassen im Schrank. So ein Wirrwarr an Ausdrücken, so eine geschwollene Sprache, so drückt sich doch kein normal Sterblicher aus, habe ich gedacht. Doch Aster antwortete in der gleichen Ausdrucksweise, wo ich dachte, habe ich so wenig Ahnung von gehobener Literatur und deren Ausdruck? Von Lyrik, da ich die Gedichte verwirrend und unverständlich fand?

„Ein sterbender Mann“ ist keine leichte Kost. Ich bin dennoch froh, das Buch zu Ende gelesen zu haben. Denn die anfangs verstörende und verwirrende Geschichte, die Briefe, Aussagen und die Sprache, besserten sich und es fügte sich beim Weiterlesen dann alles zusammen.
Zwiegespalten blieb ich trotzdem zurück, ich fand das Buch zum einen furchtbar, aber kopfschüttelnd las ich trotzdem weiter, und wurde belohnt mit einer Geschichte, die sich zusammenfügte am Ende.