Rezension

Ein Buch, das nicht in Vergessenheit geraten sollte

Jeder stirbt für sich allein - Hans Fallada

Jeder stirbt für sich allein
von Hans Fallada

Bewertet mit 5 Sternen

Ich beginne meine Rezension mal mit einem Zitat:

„Sie begriff in einem Augenblick, dass er mit diesem ersten Satz für heute und ewig den Krieg angesagt hatte, und sie erfasste auch dunkel, was es hieß: Krieg zwischen ihnen beiden, den armen, kleinen, bedeutungslosen Arbeitern, die wegen eines Wortes für immer ausgelöscht werden konnten, und auf der anderen Seite der Führer, die Partei, dieser ganze ungeheure Apparat mit all seiner Macht und seinem Glanz und drei Viertel, ja vier Fünftel des ganzen deutschen Volkes dahinter. Und sie beide hier in diesem kleinen Zimmer in der Jablonskistraße allein!“

Dieses Zitat aus Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ spiegelt für mich die ganze Hoffnungslosigkeit wider, die einen Widerstandskämpfer im Dritten Reichen erfassen konnte. Und so müssen auch Otto und Anna Quangel, die Helden des Romans, sich erst überwinden, den Gedanken in die Tat umzusetzen. Otto Quangel ist ein Tischlermeister, der sich politisch aus allem heraus hält , sparsam ist und ordentliches Arbeiten am höchsten schätzt. Doch eines Tages erreicht die Quangels die Nachricht, dass der einzige Sohn in Frankreich gefallen ist. Durch ihre Trauer erkennen sie die Sinnlosigkeit des Krieges, die Lügen der Partei und das Unrecht, das im eigenen Land geschieht. Sie legen Postkarten mit Aufrufen gegen die Nazis in öffentlichen Gebäuden aus, die Gestapo immer auf den Fersen.

Falladas Roman basiert grob auf den echten Postkartenverteilern Otto und Elise Hampel, doch er setzt nicht nur ihnen, die sonst heute sicherlich vergessen wären, ein Denkmal, sondern auch den anderen Aktivisten des Widerstands, die allesamt scheiterten. Daneben werden andere Personen in die Geschichte mit eingeflochten, wodurch ein vielschichtiges Bild der einfachen Leute unter Hitlers Herrschaft entsteht. Da ist die allgegenwärtige Bespitzelung durch Parteigenossen, aber auch durch windige Gestalten, die sich Geld und Vorteile durch Denunziationen erhoffen und die Einschüchterung durch SS, Gestapo und hohe Tiere der Partei. Natürlich werden Parteimitglieder bei der Besetzung selbst einfacher Arbeiterstellen bevorzugt. Die Nazis und Anhänger Hitlers nutzen ihre Macht aus und es herrscht Willkür den Schwachen gegenüber. Das Leben eines Juden ist nichts mehr wert, und diejenigen, die ihnen helfen, können selbst im KZ landen. Das Damoklesschwert KZ hängt über eines jeden Kopf. Die Justiz ist eine Farce und die Schauprozesse unter Roland Freisler berüchtigt. Jeder, der sich im Widerstand engagiert muss damit rechnen, auch unschuldige Familienmitglieder mit reinzuziehen und zum Tode verurteilt zu werden, sei die Tat auch nooch so gering.

Doch die Quangels überwinden ihre Angst vor den Konsequenzen, sie haben nach dem Tod des Sohnes durch die Postkarten und dem Kampf gegen die Nazis einen neuen Lebensinhalt gefunden. Nach zwei Jahren möchten sie damit auch nicht mehr aufhören und vertreten ihre Gesinnung ohne ihren freien Willen brechen zu lassen bis zum Ende.

Das Buch hat mich sehr zum Nachdenken angeregt, weil sich auch immer die Frage stellt, was man selbst getan hätte oder ob man in einem Verhör standhaft bleiben könnte. Ich habe mir einige Zitate notiert und denke, „Jeder stirbt für sich allein“ sollte ruhig überall als Schullektüre eingeführt werden (bei uns war das nicht der Fall). Denn es geht nicht darum, dass der Schreibstil eher trivial ist, sondern um die Botschaft und darum, dass sich bei uns nie wieder ein totalitäres System ausbreiten kann.