Rezension

Ein Dorf voller Klischees und armer Schweine...

Ein plötzlicher Todesfall - Joanne K. Rowling

Ein plötzlicher Todesfall
von J. K. Rowling

Bewertet mit 2.5 Sternen

Pagford scheint eine verträumte englische Kleinstadt zu sein. Doch als Barry plötzlich stirbt, ändert sich alles. Ein unbarmherziger Krieg bricht aus. - Ein großer Roman über eine kleine Stadt von einer der besten Erzählerinnen der Welt.

Pagford heißt das kleine Dorf, in dem die Geschichte angesiedelt ist, die uns J.K. Rowling hier erzählt. Idyllisch gelegen inmitten sanfter Hügel und durchzogen von einem munter plätschernden, im Sonnenlicht silbrig glitzernden Fluss, leben die Einwohner dort ihr beschauliches Leben.
Wer könnte schon ahnen, dass ein einzelner Todesfall, der des sozial engagierten Gemeinderates Barry Fairbrother, das ganze Miteinander des kleinen Städtchens vollkommen auf den Kopf stellen würde? Als dieser mit 44 Jahren plötzlich an einer geplatzten Ader im Gehirn stirbt, entbrennt um seinen Posten im Gemeinderat ein erbittertes Hauen und Stechen. Im Englischen heißt das Buch vieldeutiger "The Casual Vacancy", eine zufällige Vakanz - und deutet eher an, welch einen Dominoeffekt der Tod Fairbrothers auszulösen vermag...

Angekündigt war das Buch erst einmal als Kriminalroman, was aber lt. J.K. Rowling selbst nur ein Gerücht war, das Ian Rankin, selbst Autor zahlreicher Thriller, vor einiger Zeit in die Welt gesetzt habe. Ihre Absicht sei es nie gewesen, einen Krimi zu schreiben.
Was aber ist es dann für ein Buch, das immerhin fast stolze 600 Seiten umfasst? Eine sozialkritische Studie? Rowling selbst bezeichnet es als komische Tragödie - mit einem eher düsteren Humor.

In insgesamt sieben Teilen entfaltet die Autorin ein dichtes Beziehungsnetz zwischen ihren Figuren. Jeder hat irgendwie mit jedem zu tun und traut dem anderen nicht über den Weg. Dabei werden verschiedene Gesellschaftsprobleme angeschnitten: von Armut bis Bildungsnotstand, Prostitution bis Korruption, Drogenmissbrauch bis politischer Skandal. Doch die Spannung bleibt leider oft auf der Strecke.
Eher langatmig werden etliche Einwohner der kleinstädtischen Idylle vorgestellt, und der Leser erhält zunehmenden Einblick in deren Gefühls- und Gedankenwelt. Dabei wechselt ständig die Perspektive, so dass letztlich nur der Leser allwissend scheint.
Rowling beschränkt sich bei der Darstellung allerdings v.a. auf die negativen Aspekte der Persönlichkeiten, so dass niemand wirklich sympathisch erscheint. Jeder ist gefangen in seinem kleinen Mikrokosmos und passt letztlich in irgendein Klischee, derer sich die Autorin großzügig bedient. Die Menschen sind zwischen Reihenhaus, Rosentapete und Rasenschneider gefangen, ihr Verhalten ist meist recht absehbar. Vieles in diesem Buch ist schwarz-weiß gezeichnet. Und deshalb sind auch die Menschen in dieser Siedlung allesamt schrecklich arm dran.

Nachdem J.K. Rowling uns mit der Reihe um Harry Potter derart verzaubert hat, entzaubert sie uns nun mit diesem ersten Buch "für Erwachsene". Letztlich habe ich mich während des Lesens immer wieder gefragt, weshalb sie das Buch wohl geschrieben haben mag. Bei Internet-Recherchen stieß ich auf einige mögliche Antworten.
So wuchs die Autorin in einem Dorf in England auf, das ähnlich war wie das Pagford in diesem Buch, und die Darstellungen der Jugendlichen in der Geschichte wurden inspiriert durch Rowlings Erinnerungen an die eigene Pubertät, die sie als nicht schön bezeichnet und die sie sich nicht zurückwünscht. Bei der Darstellung eines bestimmten Jugendlichen beispielsweise soll Rowling sich ihre unglückliche Jugend und das schwierige Verhältnis zum Vater von der Seele geschrieben haben.

Aber lassen wir Rowling doch selbst zu Wort kommen hinsichtlich ihrer Motivation zum Schreiben dieses Buches sowie möglicher Reaktionen auf das Buch - (entnommen einem Interview mit der Autorin):
"I just needed to write this book. I like it a lot, I'm proud of it, and that counts for me." She did consider publishing under a pseudonym. "But in some ways I think it's braver to do it like this. And, to an extent, you know what? The worst that can happen is that everyone says, 'Well, that was dreadful, she should have stuck to writing for kids' and I can take that. So, yeah, I'll put it out there, and if everyone says, 'Well, that's shockingly bad – back to wizards with you', then obviously I won't be throwing a party. But I will live. I will live."

Schuster bleib bei Deinen Leisten, ist letztlich mein Fazit nach dem Lesen dieses Buches. Rowling hat offensichtlich ein Talent für Kinderbücher - und sollte m.E. wieder darauf zurückkommen...