Rezension

Ein eisiges Märchen

Die silberne Königin - Katharina Seck

Die silberne Königin
von Katharina Seck

Ein eisiges Märchen

Die junge Emma kennt Farben und die Wärme der Sonne auf der Haut nur aus Erzählungen. In ihrer Heimat herrscht beständiger Frost und Eiseskälte. Ihr größter Traum ist es, in der Chocolatrie von Madam Weltfremd eine Anstellung zu erhalten. Schon seit jeher faszinieren sie die süßen Gebäckstücke und herbe Schokolade, die ein seltenes Lächeln auf die Gesichter der Bewohner von Silberglanz. Sie findet Arbeit, darf den magischen Geschichten von Madam Weltfremd lauschen, muss jedoch auch Waren auf das Eisige Schloss, das über der Stadt thront, bringen. Und der König birgt ein grausames Geheimnis.

Das Cover zog mich magisch an. Es flüsterte mir zu, dass ich im Inneren des Buches nicht nur Eis und Schnee finden würde, sondern gleichzeitig Wunder und eine Prise Magie. Und so ging ich gespannt in die ersten Seiten hinein - und verlor mich zwischen den Zeilen nach wenigen Seiten.
Katharine Seck webt von Beginn an eine so dichte, märchenhafte Atmosphäre, dass es schwer fällt das Buch wieder zuzuschlagen oder den Reader aus der Hand zu legen. Ich bin genau wie die Protagonistin Emma durch die eisig glatten Straßen von Silberglanz gestreift und habe sehnsüchtige Blicke in das Schaufenster der Chocolatrie geworfen. Wer jetzt aber denkt, dass die Atmosphäre mit Zuckerguss und bunten Streuseln garniert sei, der irrt - gewaltig. Genauso gut wie die Autorin den herben Geschmack der Schokolade beschreibt, so führt sie uns auch in den oftmals grausamen und bitteren Winter. Ich habe die Kälte gespürt. Die Taubheit, die sich einstellt, wenn das Blut langsam aus den Gliedmaßen weicht, um wichtigere Teile des Körpers warm zu halten. Die Märchenwelt, die die Autorin erdacht hat, ist eisig, wunderschön, aber genauso grausam wie ein lang anhaltender Schneesturm.
Emma war mir von Beginn an sympathisch. Sie wirkt abgeklärt, hat ihre Prioritäten, aber erlaubt es sich auch zu träumen und ihre Träume zu verfolgen. Das macht sie in meinen Augen zu einer Persönlichkeit, auf die sich ihre Freunde verlassen können. Sie hat auch weder Anzeichen von Naivität noch quietschiger Verliebt gezeigt, was ich in Büchern sehr begrüße. Diese Geschichte hat nur eine Handvoll wirklich wichtiger Protagonisten. An Emmas Seite ist stets Ophelia, die auch in der Chocolatrie arbeitet, Madam Weltfremd und ihr Vater, um den sie sich kümmert. Auf der anderen Seite steht der König in seinem Schloss aus Eis, von dem der geneigte Leser die ein oder andere Überraschung erwarten kann.
So wie das Buch in der ersten Hälfte wunderbar in die Welt von Silberglanz einführt (ohne zu langweilen), so steigert sich die Spannung in der zweiten Hälfte. Ich mochte beide Varianten sehr gerne, obwohl in der zweiten Hälfte ruhig noch die eine oder andere Szene ein wenig detaillierter hätte erzählt werden können. Das Tempo wurde also mit zwei Peitschen anstatt einer voran getrieben. Die ein oder andere kleine Logiklücke ist mir persönlich aufgefallen, über die man jedoch mit einem kleinen Sprung drüber weg hüpfen kann, da das Gesamtpaket für mich einfach sehr stimmig war und mir gut gefallen hat.
Da setzt man sich gerne in die warmen Räume Madam Weltfremds und lauscht ihren Geschichten, die alle ein Körnchen Wahrheit enthalten. Und natürlich wird auch die ein oder andere romantische Saite zum klingen gebracht, jedoch hat sich dieser Teilplot der Story nicht rabiat in den Vordergrund gedrängt, sondern hielt sich - wie ein Gentleman - dezent zurück.

Alles in allem empfehle ich jedem, der auch nur ein wenig für winterliche Märchen übrig hat, „die silberne Königin“. Ihr lasst euch auf ein eisiges Abenteuer ein, das mit filigranen Worten wie Eisblumen an einer Fensterscheibe erzählt wird. 4,5 Sterne vergebe ich sehr gerne für dieses Buch.