Rezension

Ein feinsinniger, typisch französischer Roman

Die vier Jahreszeiten des Sommers
von Grégoire Delacourt

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Sommer am Strand von Le Touquet

Vier Lieben, vier Leben – ein Sommer.

Inhalt

Ein französischer Strand, an dem sich Jahr für Jahr das Sommerleben verschiedener Menschen abspielt, die immer gleichen Bewegungsabläufe, die ähnlichen Hoffnungen, Wünsche und Probleme und das Meer, welches vieles relativiert, manches hervorlockt und einiges wegwischt. Am 14. Juli 1999 sind am Strand von Le Touquet im Norden von Frankreich vier verschiedene Personen, die sich nicht kennen, die alle ein anderes Alter haben und die der Zufall dennoch irgendwie verbindet. Sie sind die Gesichter der Liebe, in jungen Jahren, im Erwachsenenalter, im zweiten Frühling ihres Lebens und im Alter. Sie stehen gleichbedeutend für Sehnsucht, Begehren, Enttäuschung, Hoffnung, Neuanfang und Ewigkeit.

Meinung

Ich bin froh, mit diesem kleinen aber feinen Roman ein Juwel des französischen Autors Grégoire Delacourt kennengelernt zu haben, welches emotional, liebenswürdig, feinsinnig und mitreißend zugleich ist. Eine ganz klare Struktur schafft hier den Erzählrahmen, bei dem der Leser aus vier Perspektiven etwas über den Sommer der Liebe am Strand von Touquet erfährt. Egal ob man den sehnsuchtsvollen Blick des Teenagers spürt oder die enttäuschte Mittdreißigerin kennenlernt, die nie den Richtigen getroffen hat, immer findet der Leser neue Ansatzpunkte, die ebenso flüssig wie bekannt erscheinen und nichts weiter sind als einfache Lebensbetrachtungen. Und dennoch verbirgt sich hinter der simplen Beschreibung diverser Gefühlsregungen das ganze Leben.

Besonders gelungen finde ich die zufällig wirkende Verkettung der Protagonisten, die sich im Roman dadurch begegnen, dass sie zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufhalten und von den anderen wahrgenommen werden, als das, was sie sind oder zu sein scheinen. Dadurch entsteht ein runder, in sich geschlossener Roman der den Leser mitnimmt zu den Grundsätzen seines Lebens, zu den vergessenen oder wiederentdeckten Gefühlen. Im Mittelpunkt steht hier nicht ein einzelner Charakter, noch nicht einmal ein Menschenleben sondern vielmehr die Liebe und ihre zahlreichen Schattierungen im Verlauf der Zeit. Mühelos könnte man weitere Geschichten einfügen und hätte die Grundaussage dadurch dennoch nicht verändert.

Fazit

Ich vergebe 5 Lesesterne und eine eindeutige Leseempfehlung für alle, die französische Erzählkunst mögen und sich gerne in andere Menschen hineinversetzen oder auch nur Berührungspunkte zwischen sich selbst und den Romanfiguren suchen. Dieser Roman bietet nicht nur eine in sich geschlossene Erzählung über die Facetten der Liebe, sondern auch die Möglichkeit Dinge und Handlungen zu hinterfragen und sich wichtigen Lebensfragen zu stellen. Außerdem berührt er das Herz des Lesers, weil man doch zu gerne an das Gute, das Vorherbestimmte, das Besondere glauben mag, an die Einzigartigkeit der Liebe und die Unendlichkeit der Gefühle. Vielleicht ist es auch eine Lektüre für Idealisten, die gerne so bleiben möchten, wie sie sind.