Rezension

Ein Frauenleben

Olga - Bernhard Schlink

Olga
von Bernhard Schlink

Bewertet mit 4 Sternen

~~Olga war schon als Kind neugierig und wissbegierig. Stundenlang konnte sie stehen und schauen. Als die Eltern am Fleckfieber versterben, kommt das kleine Mädchen zur Großmutter, wo sie ohne viel Zuwendung aufwächst. Olga freundet sich mit Herbert an, dem Sohn der Gutsbesitzer. Herbert kann nicht still halten, er bewegt sich laufend, im wahrsten Sinne. Allein bei den Wald- und Wiesenstelldicheins mit Olga findet er ein wenig Ruhe. Bevor sich Herbert zu Olga und einer gemeinsamen Zukunft mit ihr bekennt, stürzt er sich lieber in eine Kolonialkrieg, bereist die unwirtlichsten Länder, benutzt Olga nur als Lückenfüllerin seines unsteten Lebens.
Olga hat mittlerweile als Lehrerin in der Provinz ihr Auskommen gefunden hat.  Am Vorabend des 1. Weltkrieges begibt sich Herbert auf eine Arktisexpedition, von der er nicht mehr zurückkehren sollte.
Olga übersteht die Zwischenkriegszeit, aufgrund einer Erkrankung ertaubt und als Sozialistin von den Nazis unerwünscht kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. Nach der Fluch aus dem Osten verdingt sie sich als Näherin und schließt Freundschaft mit dem Jungen Ferdinand. Bis zu ihrem Tod und darüber hinaus lässt Ferdinand, dem Erzähler, Olgas Leben nicht mehr los.
Der Roman Olga umreißt deutsche Geschichte anhand eines Frauenlebens. Olga wird dabei als unbeirrbare starke Frau gezeichnet, die ihr Schicksal mit Mut aber auch mit Demut annimmt. Olgas Geschichte hat wohl nicht überragend  Besonderes an sich, Bernhard Schlink schafft es aber trotzdem mit seiner erzählerischen Kraft, ein einzigartiges, einfühlsames Bild zu zeichnen.
Herbert hingegen war mir als Figur unbeschreiblich unangenehm. Nicht nur sein Egoismus, der in letztlich in den Tod treibt, aber auch sein „Deutscher Stolz“. Seine Deutschtümelei, sein Pathos, sein Streben nach Größe unterscheidet ihn enorm von der Bescheidenheit Olgas.
Der erste Teil dieses Romans schildert Olgas Lebensweg aus der Sicht eines allwissenden Erzählers, als Ferdinand in Olgas Leben tritt ändert  sich die Perspektive, Ferdinand wird zum Ich-Erzähler. Der letzte Teil des Buches besteht ausschließlich aus Briefen Olgas an Herbert, dem sie auch noch nach dessen Tod immer verbunden bleibt. Was an manchen Fragen aus den ersten beiden Teilen offen blieb, wird in den Briefen oft mal mehr oder überraschend aufgeklärt. Dieser persönlichste Teil des Buches hat mich am meisten berührt.