Rezension

Ein fulminanter Auftakt zu einer außergewöhnlichen Buchreihe

Kernstaub - Marie Graßhoff

Kernstaub
von Marie Graßhoff

Bewertet mit 4 Sternen

Kernstaub – Über den Staub an Schmetterlingsflügeln ist der Auftakt zu einer außergewöhnlichen Trilogie und ein Leckerbissen für Fans von Science-Fiction, Dystopie und Fantasy. Mitdenken ist angesagt, denn der Roman zieht den Leser in eine neue und komplexe Welt.

Einige Worte zum Inhalt

Den Inhalt des Romans in Worte zu fassen, ohne zu viel zu verraten, fällt nicht ganz leicht. Mara, die Protagonistin des Romans, wähnt sich ein ganz normales Mädchen (jedenfalls bis auf ihre unerklärliche Uhrenphobie und die Tatsache, dass sie einen persönlichen Butler hat). Doch bald schon muss sie erkennen, dass sie mehr ist, als sie dachte – viel mehr. Denn tatsächlich ist Mara, wie Marie Graßhoff es formuliert, “der letzte Störfaktor in einem Milliarden von Jahren alten Zyklus” und die letzte Gejagte des Systems. Ihr Weg führt sie in neue Phasen und Sphären und in die Arme einer zerrütteten Gesellschaft. Konfrontiert mit all den neuen Eindrücken, suchen sie plötzlich die Erinnerungen an frühere Leben heim.

Meine Meinung

Dieses Buch ist nichts für Freunde einer schnörkellosen Sprache. Marie pflegt ihren ganz eigenen Schreibstil, und dieser ist ausführlich, poetisch und wortgewaltig. Sie spielt mit sehr vielen schönen und durchdachten Metaphern und besitzt eine ausgeprägte Vorliebe für das Partizip I (zum  Beispiel den Kopf wendend), welches mich auf Dauer zwar etwas gestört, meine Freude am Lesen jedoch keineswegs eingeschränkt hat. Zu Beginn jedes Kapitels findet sich ein Gedicht oder ein Satz, und ich muss sagen, dass mich die kleinen Gedichte wirklich begeistert haben, auch wenn sie sich nicht immer beim ersten Lesen erschließen.

“Wir trinken das Leben, bis wir fett und hässlich sind, bis all das Schlechte unsere Flügel stutzt, uns mit rostigen Ketten an den Boden fesselt, um uns das Messer der Wirklichkeit in den Rücken zu rammen.” – Pos. 13910

Die Idee des Romans ist neu – jedenfalls habe ich noch nie etwas Vergleichbares gelesen – und die Komplexität der Welt, die Marie erschaffen hat, hat mir sehr zugesagt. Nach meinem Geschmack hätte die Handlung an manchen Stellen etwas zügiger voranschreiten können, doch das Gesamtbild, das sich am Ende ergibt, ist absolut stimmig, da Marie eine ganz spezielle Stimmung mit ihren Worten erschafft.

Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet, auch wenn man durchaus bekannten Strukturen begegnet. So ist Mara ein schüchternes, unsicheres Mädchen, das Probleme damit hat, Kontra zu geben und sich daher lieber unterordnet. Ihre Charakterentwicklung hat mir jedoch unheimlich gut gefallen, vor allem der Erinnerungsprozess gestaltet sich sehr interessant. Die männlichen Charaktere zeigen eine auffällige Verbitterung und Verschlossenheit, was aufgrund ihrer Vorgeschichte aber sehr passend und einleuchtend ist. Während des Lesens habe ich immer wieder gemerkt, wie viele Überlegungen Marie in ihre Charaktere gesteckt hat, denn nicht nur Maras Vorgeschichte wird beleuchtet, auch die anderen Figuren erhalten eine spannende Vergangenheit, die in Rückblicken erzählt wird.

Häppchenweise wird dem Leser das System, auf dem die Welt aufbaut, präsentiert, sodass stets eine neue Überraschung wartet. Ich war immer wieder gespannt auf die nächsten Enthüllungen und und fasziniert von der tollen Idee.

Leider häufen sich vor allem im letzten Drittel des Romans vermehrt Grammatik- und Tempusfehler, was ich etwas schade fand, da Fehler schnell meinen Lesefluss stören. Der Roman sollte daher auf jeden Fall ins Lektorat. Trotzdem könnte ich das Buch direkt noch einmal lesen!

Fazit

Ich hoffe, wir werden noch viel von Marie lesen! Sie ist intelligent, talentiert und hat mich mit ihrem Roman verzaubert. Auch wenn Kernstaub kleinere Schwächen hat, ist es ein wunderbarer und gelungener Auftakt zu einer mehrbändigen Geschichte. Absolute Leseempfehlung für Liebhaber starker, philosophischer Worte und detaillierter, emotionaler Beschreibungen!