Rezension

Ein fundierter Mutmacher und Augenöffner – nicht nur für Eltern!

Mein Kind ist genau richtig, wie es ist - Heidemarie Brosche

Mein Kind ist genau richtig, wie es ist
von Heidemarie Brosche

Bewertet mit 5 Sternen

Ein flammendes Plädoyer für mehr Verständnis, Offenheit und Akzeptanz - und die Bereitschaft, aktiv andere Perspektiven einzunehmen. Eine absolute Leseempfehlung, nicht nur für Eltern!

„Welcher Teufel reitet uns Eltern, unsere Kinder als „Mängelexemplare“ abstempeln zu lassen?“ (S. 14)

 

Meine Meinung:

Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, wir leben in einer Kritik-Gesellschaft, in der alles und jeder kritisiert werden und auf (subjektiv!) wahrgenommene Schwächen hingewiesen werden muss. Leider gilt das immer mehr auch für unsere Kinder. Die einen sind ZU ruhig, die anderen sind ZU vorlaut und ZU zappelig. Die einen ZU schnell, die anderen ZU langsam – und so weiter und so fort. Wie soll es ein Kind heutzutage eigentlich allen Recht machen? Wollen wir wirklich nur noch 100% angepasste Kinder mit gleichartigem Gemüt haben. Kann eine Gesellschaft sich überhaupt weiterentwickeln wenn eine absolute Konformität besteht? Experten sagen hierzu ganz klar: NEIN! („Je unterschiedlicher eine Art ist, desto anpassungsfähiger ist sie“ - S. 19)

 

In diesem sehr empfehlenswerten Buch bricht Heidemarie Brosche eine Lanze für ALLE, die von ihren Mitmenschen als „ZU irgendwas“ be- oder sogar verurteilt werden. Wurden Sie selbst schon einmal als „ZU …“ bezeichnet? Dann wissen Sie, wie sich das anfühlt. Und dann haben Sie auch eine Vorstellung darüber, wie sehr ein Kind leidet, dass immer wieder mit solchen Vorwürfen konfrontiert wird – gerade, wenn diese Vorwürfe vielleicht sogar von den eigenen Eltern kommen…

 

Keine Angst, dieses Buch möchte niemanden anprangern (die Autorin berichtet auch über sehr viele persönliche Erfahrungen!) – es möchte vor allem Verständnis, Offenheit und Akzeptanz schaffen - und die Bereitschaft, aktiv andere Perspektiven einzunehmen. Jedem Elternteil ist mit Sicherheit schon mehr als einmal eine „ZU“-Botschaft rausgerutscht (mir auch!). Manchmal kommen diese Botschaften auch ganz versteckt daher („bummel nicht so“ = „du bist ZU langsam“), treffen das Kind aber ganz genau so – gerade, wenn sie sich immer wiederholen.

 

Heidemarie Brosche hält in diesem Buch ein flammendes Plädoyer dafür, die Stärken zu fördern statt die (vermeintlichen!) Schwächen ausmerzen zu wollen. Und sie geht mit ihrer Kernthese noch einen bedeutenden Schritt weiter: Sie argumentiert, dass in jeder vermeintlichen Schwäche auch eine Stärke versteckt ist. Sie veranschaulicht dies an den folgenden „Schwächen“:

„ZU faul, ZU bequem, ZU wenig ehrgeizig“
„ZU introvertiert, ZU schüchtern, ZU ängstlich, ZU ruhig, ZU ernst, ZU nachdenklich, ZU grüblerisch, ZU sensibel“
„ZU unkonzentriert, ZU verträumt“
„ZU extravertiert, ZU lebhaft, ZU geschwätzig“
„ZU schnell, ZU flüchtig, ZU oberflächlich“
„ZU langsam, ZU begriffsstutzig, ZU unpünktlich“
„ZU eigensinnig, ZU undiszipliniert, ZU frech, ZU aufmüpfig“
„ZU gewissenhaft, ZU ehrgeizig, ZU verbissen, ZU perfektionistisch“
„ZU aggressiv, ZU jähzornig“

 

Für alle diese ZU-weisungen zeigt die Autorin sowohl anhand von Berichten und Erlebnissen von mal bekannten, mal unbekannten Mitmenschen, als auch anhand von wissenschaftlichen Studien und Publikationen, wie man eine andere Sichtweise auf diese Wesenszüge einnehmen und entsprechende Stärken dahinter erkennen und fördern kann. Ich konnte ihren schlüssigen Argumentationen hierbei stets gut folgen.

 

Besonders gut gefallen hat es mir dabei, dass sie in diesem Buch zahlreiche wissenschaftliche Studien und Publikationen zitiert (alles stets mit Fußnoten versehen) und im Anhang ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit anbietet. Hier begegnen dem Leser viele bekannte Persönlichkeiten, wie beispielsweise Albert Einstein, Eckhard von Hirschhausen, Remo Largo, Jan-Uwe Rogge oder auch Jesper Juul. Hier merkt man deutlich, wie intensiv sich die Autorin mit dem Thema auseinandergesetzt hat und wie fundiert ihre Ausführungen sind.

 

Ein Hinweis zum Schluss: Dieses Buch ist KEINE Anleitung zur Antiautoritären Erziehung von Kindern! Selbstverständlich weist die Autorin auch darauf hin, dass man immer im Blick behalten muss, ob sich ein Kind mit seiner Art selbst oder jemand anderem schadet – und dass bei gewissen krankheitsbedingten Verhaltensweisen der Rat von Experten zu suchen ist.

 

Mir hat dieses Buch tatsächlich die Augen geöffnet und mich für dieses Thema sensibilisiert!

 

FAZIT:

Ein flammendes Plädoyer für mehr Verständnis, Offenheit und Akzeptanz - und die Bereitschaft, aktiv andere Perspektiven einzunehmen. Eine absolute Leseempfehlung, nicht nur für Eltern!