Rezension

Ein gewaltiger Krimi

Der katholische Bulle - Adrian McKinty

Der katholische Bulle
von Adrian McKinty

Bewertet mit 5 Sternen

Sean Duffy ist Polizist im Carrickfergus der frühen 80er Jahre. Und er ist eine Besonderheit: Er ist katholisch - und als katholischer Polizist im RUC ist er per se ein Verräter. Lange ist er noch nicht dabei, als in seinem Bereich eine Leiche gefunden wird, eine Hand abgetrennt, ein Notenblatt von Che gelida manina im Anus. Nur gehört die Hand nicht zur Leiche. Alles scheint klar, als kurz darauf ein bekanntermaßen homosexueller Mann ermordet aufgefunden wird, ebenfalls mit abgetrennter Hand und der des ersten Opfers in der Nähe. Endlich ein unpolitischer Mörder in Nordirland! Oder doch nicht?
Mir gefällt, wie McKinty die allgegenwärtige Gewalt schildert, die Angst vor Bomben, vor Überfällen, davor, vielleicht sogar zufällig, das nächste Opfer zu werden. Er schildert, dass es nicht wirklich möglich ist, mit der ständigen Gefahr normal zu leben, wie sich Adrenalin und Erleichterung Bahn brechen, wenn man wieder davongekommen ist, dass man schließlich abstumpft und vergisst, vor Abfahrt unter dem Auto nach einer versteckten Sprengladung zu suchen. Die Wut darüber, dass es - egal von welcher Seite - die Kinos trifft und dass die kleinen, normalen Geschäfte leiden. Dass die nervliche Belastung für einen Menschen alleine eigentlich nicht durchzustehen ist. Und dass manchmal doch andere Dinge wichtiger sind als die Konfession - Geschäft, Nachbarschaft, ...
Das Buch als ganzes hat mir wirklich gut gefallen. Der "Fall" ist solide (mich hat, wenn überhaupt, nur eine Kleinigkeit in der Handlung gestört, die ich aber aus Spannungsgründen nicht nennen werde) und er ist gut eingebettet in die Rahmengeschichte des Nordirlandkonfliktes im Jahr 1981. In diese Geschichte wird der Leser mit Beginn des Buches mitten hinein geworfen und ich bin mir nicht sicher, wieviel jemand davon beim Lesen versteht, der überhaupt keine Idee von den Hintergründen hat. Ich hatte eine, habe aber trotzdem nach ca. einem Drittel des Buches mal den Wikipedia-Artikel zum Nordirlandkonflikt gelesen. Danach hatte ich nicht nur wieder im Kopf, was zu der Situation 1981 führte, sondern auch die ganzen Abkürzungen der verschiedenen Seiten - IRA, UVF, UDA, RUC,... - die zwar alle im Buch irgendwann erklärt wurden, aber mir natürlich wieder entfallen waren, wieder sortiert. Und mir ist mal wieder bewusst geworden, wie weit weg mir dieser Konflikt einerseits scheint, wie nah dran er aber geographisch wie zeitlich eigentlich ist.
Dafür, dass das Buch wettertechnisch hervorragend in den verregneten Berliner Sommer passte, kann der Autor wenig. Ein Lob gebührt ihm aber für seine Fähigkeit, atmosphärisch so dicht zu schildern, dass ich regelrecht in die Story hineingesogen wurde. Ich konnte den Regen förmlich spüren, hörte die fernen Schüsse, roch den Petroleumofen. Dem Übersetzer ist es gelungen, diese Stimmung zu erhalten. Und der Verlag hat das Ganze angemessen und ansprechend verpackt. Alles in allem eine wirklich empfehlenswerte Krimi-Neuerscheinung. Die Folgebände werden von mir sicher gelesen werden.