Rezension

Ein goldener Auftakt, der mit einzigartigem Charme fasziniert

Grischa - Goldene Flammen - Leigh Bardugo

Grischa - Goldene Flammen
von Leigh Bardugo

*Worum geht's?*
Alina und ihr bester Freund Maljen leisten in der ersten Armee des Zaren Rawkas ihren Dienst. Sie ist Kartografin, er ein begabter Fährtenleser - und ein allseits beliebter Frauenschwarm. Auch Alina hat ihr Herz an ihn verloren, doch die Angst, ihn als Freund zu verlieren, hält sie davon ab, es ihm zu gestehen. Als sie jedoch gemeinsam mit dem Rest der Armee auf Befehl des Zaren den gefürchteten Schattenflur überqueren müssen und von brutalen Kreaturen überfallen werden, kann Alina ihre Gefühle nicht länger zurückhalten. Um Maljen zu retten, lässt sie einer hellen Kraft freien Lauf, die plötzlich aus ihr herausbricht. Welche Macht in ihr schlummert, weiß Alina selbst nicht - und ehe sie sich versieht, wird sie, die unscheinbare Kartografin, zur letzten Hoffnung Rawkas. Denn sie ist eine Grischa, eine Magierin, mit einer äußerst seltenen Kraft. Um ihre Macht kontrollieren zu können, lernt sie bei den mächtigsten aller Grischa. Selbst ihr mysteriöser Anführer, der Dunkle, nimmt Alina unter seine Fittiche. Alles um Alina herum verändert sich so schnell, dass die junge Frau gar nicht mitbekommt, wie ihr das Böse immer näher kommt...

*Kaufgrund:*
"Grischa - Goldene Flammen" ist mir schon vor einiger Zeit aufgefallen. Das wundervolle Cover hat mich sofort fasziniert. Als ich dann durch die bittersweet-Aktion die Möglichkeit bekam, das Buch zu lesen, konnte ich natürlich nicht Nein sagen!

*Meine Meinung:*
Sobald man den Auftakt der "Grischa"-Trilogie aufgeschlagen hat, wird man von der zauberhaften und mystischen Stimmung, die zwischen den zwei Buchdeckeln verborgen liegt, gefesselt. Die gesamte Welt ist so fremd und faszinierend zugleich, dass man auch ohne große Spannung augenblicklich in einen starken Lesefluss gerät. Es ist die Neugierde, mehr zu erfahren, die einen an die Seiten bannt. Ich wage sogar zu behaupten, dass "Grischa - Goldene Flammen" komplett ohne Action ausgekommen wäre und der einzigartige Charme völlig ausreichen würde, um die Leser zu überzeugen. Aber Leigh Bardugo macht keine halben Sachen und so hat sie es sich nicht nehmen lassen, ihren Handlungsverlauf mit spektakulären Ereignissen und Überraschungen zu bestücken, um ein großartiges Gesamtpaket zu erschaffen, das jeden Fantasy-Liebhaber mitreißen und begeistern wird.

Mit einem Cliffhanger ärgert uns Leigh Bardugo ausnahmsweise nicht. Die Handlung ist mit der letzten Seite abgeschlossen, lässt aber noch viel Spielraum für weitere Geschichtsfäden, die die Autorin im zweiten Band der Trilogie hoffentlich aufgreifen wird.

Die Welt, die Leigh Bardugo in ihrem Debüt erschaffen hat, konnte mich absolut überzeugen. Selten gibt sich ein Autor so viel Mühe bei der Erschaffung seines Handlungsortes, dass er einem während des Lesens tatsächlich real vorkommt und man sich völlig in ihm verlieren kann. Hier ist alles stimmig, doch besonders gut gelungen ist Bardugo die düstere Atmosphäre ihrer phantastischen Welt. In Rawka muss man sich einfach verlieben! In ihrem Nachwort erklärt die Autorin, dass sie sich mit ihrer Welt an dem alten Russland orientiert hat. Dies erkennt man nicht nur an der Herrschaft des Zaren und den verschiedenen Namen der Figuren, sonder vor allem an den eisigen Orten, die laut Bardugos Beschreibungen genauso aussehen, wie man sich alte russische Städte vorstellen würde.

Die unscheinbare Alina ist die Protagonistin des Romans und zugleich die Erzählerin der Geschichte. Zu Beginn macht sie es einem als Leser nicht leicht, mit ihr zu sympathisieren. Denn Alina wird von unzähligen Selbstzweifeln geplagt, die sich negativ auf ihren Charakter auswirken. Sie findet sich hässlich und klein, schwach und unbedeutend. Ihr bisheriges Leben als Waisenkind, das niemals Liebe oder Bestätigung erfuhr, hat sie geprägt und sie zu einer unsicheren jungen Frau heranwachsen lassen. Es fällt wahrlich schwer, sie von Anfang an zu mögen. Doch je mehr Seiten vergehen, je näher man Alina kennenlernt, desto stärker erkennt man das verborgene Potenzial der jungen Kartografin. Tief in ihrem Inneren steckt nicht nur eine mächtige Kraft, sondern auch eine tapfere und mutige Kämpferin mit einem Herzen aus Gold. Die enormen Veränderungen in ihrem Leben lassen Alina wachsen und erblühen, sodass sie ihre Persönlichkeit immer weiter entfalten kann. Nach dem holprigen Start zeigt sie, was wirklich in ihr steckt, und beweist allen, die wie ich an ihr gezweifelt haben, dass sie das Zeug zur Protagonistin hat. Bloß das ständige Bedürfnis, sie an den Schultern zu packen und zu rütteln, damit sie die Augen öffnet und der Realität ins Auge sieht, wurde ich bis zum Schluss nicht los.

Titelgeber und Hauptgegenstand der Trilogie sind die Grischa, Menschen mit magischen Fähigkeiten, die dem Zaren Rawkas dienen. Es gibt drei unterschiedliche Klassen, die jeweils über eine andere Art der Magie herrschen: die Korporalki, der Orden der Lebenden und der Toten, die Ätheralki, der Orden der Beschwörer, und die Materialki, der Orden der Fabrikatoren. Die Grischa sind sehr spezielle Menschen mit eigenwilligen Ansichten und Vorstellungen und so ist es keine Seltenheit, dass es selbst unter den Klassen zu Streitigkeiten und Unstimmigkeiten kommt. Doch eines haben sie alle gemein: Sie sind alle stolz. Die Macht über die Magie und die hohe Stellung im Volke haben die Grischa zu überheblichen und arroganten Personen gemacht, die sich für etwas besseres halten. Sie bleiben unter sich, halten sich sonst eher verschlossen und distanziert. Dadurch bleiben sie dem Leser bis zur letzten Seite seltsam fremd, obwohl er sie - angestachelt durch die magische Faszination, die sie ausstrahlen - ab dem ersten Moment zu ergründen versuchte. Eben diese Unnahbarkeit, diese kühle und dunkle Atmosphäre, die sie erzeugen, hat dafür gesorgt, dass sie mich völlig in ihren Bann ziehen konnten.

Angeführt werden die Grischa von dem mächtigsten Mann unter ihnen: dem Dunklen. Er ist ein unergründlicher Charakter, der einem stets aufs Neue beweist, dass er nicht der ist, für den man ihn hält. Eben noch dachte man, man hätte ihn durchschaut, da macht er durch eine überraschende Wendung all die sorgsam und mühevoll entwickelten Spekulationen zu Nichte. Er sorgt für einige unerwartete Momente und kann die Spannung der Geschichte somit immer wieder neu entfachen. Doch der Dunkle ist nicht nur wegen seiner tragenden und facettenreichen Rolle eine großartige Figur. Macht ist sexy - und das weiß er genau...

"Grischa - Goldene Flammen" bedient sich trotz vieler innovativer Ideen auch einiger bekannter Klischees. Natürlich ist es ein Trilogieauftakt, selbstverständlich ist die Protagonistin zunächst ein unscheinbares Mädchen und was wäre "Grischa" für ein Jugendbuch, wenn es nicht die obligatorische Liebesgeschichte besäße? Obwohl Bardugo beim romantischen Teil des Romans sicherlich einiges hätte besser machen können - Dass sie kreativ genug ist, um ihn völlig klischeefrei zu gestalten, beweist sie schließlich während des gesamten Buches -, wird Alinas Gefühlschaos doch einige Fans für sich gewinnen können (mich eingeschlossen). Ebenso wie Alina selbst muss bzw. darf der Leser sowohl die Schattenseiten der Liebe als auch ihre Lichtblicke miterleben. Es wird prickelnd, gefühlvoll und romantisch, aber auch herzzerreißend, enttäuschend und dramatisch. Auf den ersten Blick scheint die Liebesgeschichte sehr vorhersehbar, aber auch hier kann die Autorin mit ein paar Überraschungen punkten.

Die wundervolle Gestaltung des Buches ist einzigartig und unterstützt die außergewöhnliche Atmosphäre des Romans. Auf den ersten Seiten findet sich nicht nur eine hilfreiche Übersicht über die die verschiedenen Grischa und ihre Fähigkeiten, sondern auch eine detaillierte und kunstvolle Karte der Gebiete rund um Rawka. Alina wäre sicher stolz auf dieses Meisterwerk gewesen! Zudem wird jedes neue Kapitel mit einer kleinen, aber feinen Verzierung eingeleitet. In die Gestaltung von "Grischa - Goldene Flammen" wurde viel Herzblut gesteckt - das spürt man! So macht das Lesen gleich doppelt so großen Spaß!

*Cover:*
Einfach wundervoll. Alina und der Hirsch sind von den Grafikern zauberhaft gezeichnet wurden und passen perfekt in das künstlerische Gesamtbild des Romans. Übrigens. Wenn man den Schutzumschlag abnimmt, entdeckt man die Wälder Rawkas...

*Fazit:*
"Grischa - Goldene Flammen" ist ein großartiger Serienauftakt, der vor allem durch den einzigartigen Charme zu überzeugen weiß. Aber auch der Rest der magischen Geschichte ist stimmig und wird jeden begeistern, der Fantasy liebt. Bloß Alina, die Protagonistin, und die Liebesgeschichte konnten mich nicht auf Anhieb überzeugen und brauchten einen zweiten Anlauf, um gefallen zu können. Für "Grischa - Goldene Flammen" vergebe ich gute 4 Sterne.