Rezension

Ein grandioses Versteckspiel und die Suchen ach der Wahrheit

Beim Leben meiner Tochter - Michel Bussi

Beim Leben meiner Tochter
von Michel Bussi

Bewertet mit 4 Sternen

INHALT
Eigentlich sollte es der Traum eines Familienurlaubes mitten im Paradies werden, aber die Idylle wird schon bald zerstört als Josaphas Mutter Liane verschwindet. Die Hotelangestellten sind sich einig, dass Liane ihr Zimmer nicht verlassen hat und schnell fällt der Verdacht auf ihren Ehemann Martial. Während sich die Frage stellt, ob Martial wirklich ein solches Monster sein kann und Details aus seiner Vergangenheit enthüllt werden, begibt er sich gemeinsam mit seiner Tochter auf eine waghalsige Flucht.

MEINUNG
Wie auch schon bei Die Frau mit dem roten Schal hat Michel Bussi esgekonnt geschafft den Leser - also mich - zu verwirren und dieGrenze zwischen Schein und Realität verschwimmen zu lassen. Zunächst ist man sich sicher, dass Martial seine Frau ermordet hat, aber ich wusste einfach, dass es einen Twist geben musste. Zunächst hatte ich das Gefühl, dass Die Frau mit dem roten Schal einfach nur in ein anderes Setting gesetzt wurde und auf einer paradiesischen Insel spielt. Der Plot hangelte sich andeutungsweise an der sehr ähnlichen Geschichte Jamals lang und mir fehlte die Raffinesse und die Abgrenzung zur bereits gelesenen Geschichte. Nach ein paar weiteren Seite hatte Bussi es dann geschafft und eine eigenständige Geschichte herausgearbeitet. Ständig wechselte meine Ansicht und in meinem Kopf war Martial der Mörder, dann wieder nicht oder war er es doch? Eben genau das möchte ich bei einem guten Kriminalroman erleben. Ständiges miträtseln; durch mehrdeutige Hinweise geleitet eigene Theorien spinnen. Ich hatte immer wieder neue Täter ins Auge gefasst und am Ende kam es doch ganz anders.

Auch wenn ich zunächst eine andere Geschichte erwartet hatte, da ich durch Titel, Cover und Klappentext davon ausgegangen bin, dass sich Lianes Tochter Josapha nach dem Verschwinden der Mutter alleine durchschlagen muss und niemandem trauen kann; nicht einmal oder besonders nicht ihrem eigenem Vater. Der tatsächliche Plot gefiel mir auf jeden Fall besser und die Charaktere warendurchaus sympathisch. Als einziges die zielbewusste Polizistin Aja war für mich etwas anstrengend. Zwar finde ich es toll einen starken weiblichen Charakter zu haben, aber irgendwie ließen sich nicht alle Charakterzüge miteinander vereinbaren. Ihren Partner Christos mochte ich hingegen trotz seiner eher Faulenzereigenschaften sehr, da er seinen Job gut mit Herzblut ausgeführt hat; es allerdings anders als Aja nicht eingesehen hat seine Gesundheit und sein Wohlbefinden zu opfern. Da spielte es auch keine Rolle, das ein Mörder frei herumläuft. Seine Freundin Imelda, die durch Durchblick glänzte, war eine wirklich grandiose Ergänzung und ich mochte ihre Miss Marple Methoden.

Der Schreibstil konnte mich wie auch beim letzten Mal nicht hundertprozentig überzeugen, obwohl dieser nicht mehr ganz so simpel und abgehakt war. Die Kapitel sind in diverse Abschnitte mit Uhrzeitangabe eingeteilt, welche an verschiedenen Orten erzählt werden und sich somit um andere Charaktere drehen. Wir erfahrenteilweise im Minutentakt was die Charaktere unternehmen. Die Wahl dieser Erzählweise passte somit zum simplen Schreibstil und war nicht weiter störend. Das viel größere Problem für mich waren die Szenen aus der Sicht der 6-Jährigen Tochter Josapha. Diese waren als einzige nicht aus der neutralen Erzählperspektive, sondern direkt aus der Sicht der Ich-Perspektive Josaphas. Eigentlich eine schöne Idee, um den kindlichen Charakter und die Verwirrung Josaphas darzustellen, weil man sich direkt in ihre Sicht der Dinge hineinfindet, jedoch hat sich Bussi für mich nicht in die Gefühlswelt einer 6-Jährigen hineinversetzt. Ja, die Szenen wirken irgendwie kindlich, aber dennoch hat Josapha teilweise eine Auffassungsgabe, die über ihr Alter hinausgeht - besonders die gewählte Sprache ihrer Gedankengänge ist für ein Kind schlecht gewählt gewesen.

Zum Abschluss kann ich nur ein Zitat aus meiner Rezension zu Michel Bussis Die Frau mit dem roten Schal verweisen. Denn auch dieses Mal trifft es zu, dass "durch die Vermischung von Gegenwart und Vergangenheit wurde das Puzzle noch größer und die Wahrheit rückte immer weiter in die Ferne. Ich musste immer wieder neue Theorien aufbauen, die mich in keinem Fall angemessen auf das Ende vorbereitet haben."

FAZIT
Wieder ein absoluter Pageturner, der durch seine vielzähligen Wendungen und das grandiose Versteckspiel Martials lebt. Die Spannung und Raffinesse sorgen für 4 von 5 Punkten von mir. Wer auf Geschichten mit überraschenden Wendungen steht ist hier genau richtig, denn Michel Bussi versteht es einfach den Leser in die völlig falsche Richtung zu lenken, um am Ende noch einmal zu überraschen.