Rezension

Ein großartiger Roman

Die Wälder am Fluss - Joe R. Lansdale

Die Wälder am Fluss
von Joe R. Lansdale

Bewertet mit 5 Sternen

Texas, 1930er-Jahre. Es ist die Zeit der großen Dürre und der Depression. Außerdem ist es die Zeit als der elfjährige Harry und seine kleine Schwester Tom die Leiche einer schwarzen Frau am Fluss finden. Damit öffnet sich für den Jungen die Welt der Erwachsenen, die aus drückenden Sommern, düsterem Aberglauben und gewaltvollem Rassismus besteht.

Joe R. Lansdale präsentiert mit diesem Buch eine gelungene Mischung aus Coming of Age, Krimi, Thriller und zeitgenössischem Roman, die den Leser ins Texas heißer Sommernächte, gewalttätiger Übergriffe und umgreifenden Rassismus entführt.

Harry ist gerademal 11 Jahre alt als er gemeinsam mit seiner Schwester Tom die Leiche einer Schwarzen am Sabine River findet. Die Frau ist furchtbar zugerichtet und trotzdem scheint Mord ausgeschlossen zu sein, weil es eben eine Schwarze ist.

Harry und Tom erlebt man im Huckleberry-Finn-Stil, der den Leser mitten im Herzen und in der Seele trifft. Der junge Harry ist ein vernunftbegabter Bursche, der viele Regeln der Erwachsenen nicht begreift. Er wird stutzig, weil nicht alle Menschen gleich behandelt werden, schämt sich fremd, als der Ku-Klux-Klan vor der Tür seiner Familie steht und glaubt insgeheim, dass ein mysteriöser Ziegenmann im Wald sein Unwesen treibt.

Ich hatte mich auf die Minute in Harry, seine Schwester - eigentlich die ganze Familie - verliebt. Anhand dieser Familie erfährt man, wie schwer das Leben während der Dürre und Depression in den USA gewesen ist. Dabei haben sie in Texas noch richtig Glück gehabt. Die Böden sind fruchtbar geblieben und daher hat es die Texaner nicht ganz so schlimm - im Vergleich zu andern Staaten - erwischt. Trotzdem wird in Harrys Familie emsig gearbeitet, damit man einigermaßen über die Runden kommt. Sein Vater hat auf der Farm zutun, führt einen Friseurladen und geht sogar der Tätigkeit als Constable nach - wodurch er mit der Aufklärung des „Mordes“ beschäftigt ist.

Trotz des einfachen Lebens, der harten Arbeit und dem rauen Umgangston, spürt man auf jeder Seite, wie liebevoll diese Familie ist. Man fühlt, wie sie zu ihren Prinzipien stehen und wie wichtig sie sich gegenseitig sind.

Außerdem bekommt man ein gutes Bild von der Gemeinschaft, die sich in dem kleinen texanischen Dorf gebildet hat, und dem Leben, das damals alltäglich war. Gemeinsam mit Harry schaut man im Friseurladen vorbei, geht die alte, farbige Maggie auf einen Schwatz besuchen oder versucht den Wasserschlangen im Fluss zu entgehen, weil die nämlich giftig sind.

Neben dem greifbaren Flair kommt der Mord zu tragen, der dem ganzen Buch ordentlich Spannung verleiht. Es gibt etliche Szenen, in denen ich mit Harry gebangt habe, mir das Adrenalin durch die Blutbahn schoss oder ich mich gemeinsam mit ihm ins Gebüsch im Wald gedrückt habe. 

Joe R. Lansdale hat keinen Roman geschrieben sondern er hat eine Geschichte erzählt. Von Anfang bis Ende hat er mich gefangen genommen, durch die dichte Atmosphäre der 30er-Jahre geführt und mich die bedrohliche Stimmung von Rassismus fühlen lassen.

Meiner Meinung nach handelt es sich bei „Die Wälder am Fluss“ um einen großartigen Roman, den ich absolut weiterempfehlen kann.