Rezension

Ein großes Drama - eine Leidensgeschichte als Lebensgeschichte

Ein wenig Leben - Hanya Yanagihara

Ein wenig Leben
von Hanya Yanagihara

Bewertet mit 5 Sternen

Wahrlich kein Buch von der Stange. Es sind nicht nur die mächtigen 960 Seiten, die diesen Roman zu einem echten Schwergewicht machen.
Es ist vor allen Dingen auch dieses komische bis furchbare Buchcover, das einen zweimal hingucken lässt und einen bisweilen eher enttäuscht bis entsetzt ein wenig den Kopf schütteln lässt.
Auch der Buchtitel offenbart dabei nur eine winzige Fährte.

Doch nach 200 bis 300 Seiten hat das alles einen Sinn. Die verzerrte bis leidende Frazze, dieses spärliche Bild des Jammerns passt zu dem Buch, es passt zu dem Protagonisten und das Bild und Buch werden richtig rund und eine Einheit.

Es geht um vier Freunde. Jude (Rechtsanwalt), Willem (Schauspieler), Malcom (Architekt) und JB (Künstler). Durch das Studium werden sie zu sehr guten Freunden und das Buch begleitet sie über die Jahre. Es ist vor allem jedoch die Geschichte des Jude. Seine Lebensgeschichte wird zur Tortur der Leiden. Aufgewachsen ohne Eltern, Mißbrauch als Jugndlicher im Kloster, lange Jahre als Stricherjunge unterwegs und schlie0lich festgehalten und fiese mißbraucht, Doch damit nicht genug, vom Auto absichtlich angefahren leidet Jude seit jungen Jahren krankheitsbedingt Qualen.

Als Jude dann nach vielen, vielen Jahren das zarte Band der Zuneiguung und Liebe kennenlernt, kommt für den intelligensten und kopflastigen Eigenbrödler der Turnaround. Kann er nach Jahren der Missbrauchs Gefühle zulassen, inwieweit kann er sich öffnen und über seine traumatische Kindheit sprechen...?

Trotz dieser berauschenden Lektüre gab es es für mich kleinere Kritikpunkte:

In den ersten 150 Seiten war der Einstieg in die Story für mich ein wenig holprig. Da fehlte mir ein wenig die Struktur. Und auch in den letzten 60 bis 70 Seiten war tatsächlich ein wenig die Luft raus und es las sich etwas unrunder.

Bei einer solch dicken Literatur lassen sich - meiner Meinung nach - einige Passagen immer ein wenig kürzen. Beispielsweise werden Willems Filme häufig ausladend beschrieben. Auch sonst schwelgt die Autorin manchmal ein wenig, wo einige kürzer udn straffere Erzählweisen dem Buch durchaus gut täte.

Das Erstlingswerk von Hanya Yanagihara besticht durch eine fesselnde Story, Komplexität und einen starken und sehr anspruchsvollen Erzählstil. Trotz der schlimmen Problematiken eine Buch auf sehr hohem Niveau.

Ich habe mich gefragt, wie kommt man als junge Autorin auf so eine Leidensgeschichte als große Lebensgeschichte? Und ich bin sehr gespannt, welchen Nachfolger die Autorin nach diesem starken Erstling präsentiert.

Unter dem Strich ein herausragender Roman mit einer faszinierenden Geschichte. Sicherlich, auch thematisch keine Leichte Kost. Die Autorin schafft es aber auch, die brenzligen Szenen von Kindesmissbrauch oder von den Vergewaltigungen nie auszuschlachten und sehr behutsam zu erzählen.

Trotz aller Gewalt, Traumatas, trotz aller schlimmen Erlebnisse, trotz der Schmerzen und Krankheiten ein Buch über Freundschaft, über Familie, Zusammenhalt und die riesige Kraft der Liebe.