Rezension

Ein höllisch guter Comic: From Hell

From Hell - Alan Moore, Eddie Campbell

From Hell
von Alan Moore Eddie Campbell

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wer noch nie eine Graphic Novel von Alan Moore in die Hand genommen und gelesen hat, kann nicht behaupten, sich bereits ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben.

Alan Moore wurde 1952 in England geboren und ist Autor bedeutender und vielfach ausgezeichneter Werke wie „Watchmen“, „V For Vendetta“ und „Lost Girls“.
2008 erhielt Alan Moore den Max und Moritz-Preis für sein Lebenswerk.

Die meisten Leser dieses Blogeintrags werden „From Hell“ sicher durch den gleichnamigen Film der Hughes Brüder kennen und in Verbindung bringen: Johnny Depp und Heather Graham spielen dort die Hauptrollen in einer meiner Meinung nach durchaus empfehlens- und sehenswerten Umsetzung, welche allerdings die Vorlage lediglich in Teilen wiedergibt. Buch und Film haben zusammengefasst wenig Schnittmengen, einige Passagen wurden für das Drehbuch komplett umgeschrieben. Seit jeher ein immer wieder gern kontrovers diskutiertes Thema, wenn Literatur und Kino aufeinandertreffen: Wird die Adaption der Vorlage gerecht?
Oft wird die Frage von Autoren mit einem „Nein“ beantwortet, unter anderem dürften die Kürzungen und Änderungen ein Grund dafür sein, dass Alan Moore grundsätzlich dagegen ist, dass seine Werke verfilmt werden. Genutzt hat sein Protest letztendlich wenig, über den cineastischen Wert der Ergebnisse gibt es erwartungsgemäß recht unterschiedliche Meinungen.

Der in sechzehn Teile gegliederte graphische Roman schildert die grausigen Ereignisse, welche sich Anno 1888 in Whitechapel, London zutrugen: Der Name „Jack the Ripper“ ging in die Kriminalgeschichte ein, fasziniert und erschreckt bis heute und ist eine Art Synonym für kühl geplante und heimtückische Morde.
Die vier Morde an Prostituierten wurden nie vollständig aufgeklärt und beschäftigen bis heute Historiker, dank einiger Spuren allerdings, welche in Richtung des Königshauses weisen, zieht der Fall unweigerlich auch Anhänger von Verschwörungstheorien an.
Täter sowie Motiv sind bis heute unbekannt, der Fall ungelöst.

Der Leser jedoch blickt bereits vor dem ersten Mord hinter den Vorhang und erkennt das wahre Gesicht von Jack the Ripper. Anders als der Film, welcher Inspektor Abberline bei den Ermittlungen und der Lösung des Rätsels in den Fokus nimmt, beschäftigt sich der Comic mit dem Profil und der skurrilen Gedankenwelt des Mörders und verleiht der Handlung eine Tiefe, welche in dieser Form ausschließlich der Literatur vorbehalten ist.

1988, also genau 100 Jahre nach der Mordserie, begann Alan Moore mit seinen umfangreichen Recherchen, u.a. auch zur Stadtgeschichte, um sich ein Bild der Architektur der Zeit zu machen, um den Bildern neben einer tiefgängigen Story auch die passenden optischen Inhalte geben zu können, welche hervorragend in schwarz-weiß von Eddie Campbell umgesetzt worden sind.
Des weiteren finden sich Charakterstudien und Texte zu den Mordermittlungen; Moores Ergebnisse liegen in zahlreichen Anmerkungen dokumentiert im vorliegenden Sammelband vor.
Ganze zehn Jahre sollte es dauern, bis er seine Ergebnisse veröffentlichte: Auf rund 600 Seiten beschäftigt sich Alan Moore nicht nur mit den Rippermorden, sondern bietet auch eine detaillierte Darstellung einer Metropole auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert.
Das neue Jahrtausend ging mit einem vielschichtigen Wandel einher: Die vielen neuen Erfindungen und Errungenschaften boten technischen Fortschritt, erzeugten jedoch gleichzeitig auch Angst und Hysterie. Beginnend mit den furchtbaren Verbrechen vervielfachten diese sich ins Irrationale und boten Nährboden für Aberglaube, welcher sich rasch in der Gesellschaft verbreitete.

„From Hell“ ist für Leser von besonderen Comics und historischen Krimis zugleich ein Genuß, mit knapp 2 Kilogramm Gewicht ist der umfangreiche und hochwertig gearbeitete Band jedoch nur bedingt als Bettlektüre zu empfehlen, ziert jedoch das Regal des Sammlers und ist dazu noch preisgünstiger als die zuvor erschienenen Einzelbände.