Rezension

Ein interessantes Sammelsurium

Schacht und Hütte - Karl May

Schacht und Hütte
von Karl May

Bewertet mit 5 Sternen

Der vorliegende 72. Band von Karl Mays Gesammelten Werken stellt das bunte Frühwerk aus Mays Redaktionszeiten zusammen. Ein kurzes Vorwort gibt einen Überblick über die Sammlung und klärt ein paar Hintergründe. Jedem Teil des Buches sind weitere kurze Einführungen dieser Art vorangestellt. Sie sind kurz genug, um den Leser nicht zu langweilen und geben trotzdem ein paar Anhaltspunkte für den Interessierten zu weiterer Recherche.

Der Band umfasst eine Kurzgeschichte „Das Gewissen“ mit den typischen May-Elementen, von Tugend und Armut, Reichtum und Bosheit, Schuld und Glauben. Unterhaltsam und doch sind viele seiner späteren Motive bereits vorgezeichnet.

Darauf folgt die Kriminalerzählung „Wanda“. Sie ist umfangreicher und spannend. Fragwürdig bleibt hier, dass sie von Verlagsseite „im Sinne Karl Mays“ geglättet wurde. Mir bis heute unverständlich, warum der Karl-May-Verlag den Lesern diese Bearbeitungen zumutet, statt im Original zu bleiben und mit einem Kommentar zu versehen, in dem Varianten, Hintergründe, Vermutungen und ähnliches dem Interessierten zur Verfügung stehen. In diesem Fall ist es nicht so relevant, bei anderen Werken werden Inhalte und damit der Lesespaß extrem beeinträchtigt.

Mit „Die Fastnachtsnarren“ liegt eine hübsche, unterhaltsame Humoreske vor. Auch wenn sie nicht lang ist, sind die Charaktere lebendig und die ganze Szenerie steht dem Leser sofort vor Augen.

Der umfangreiche zweite Teil des Buches beinhaltet Mays „Gesammelte Aufsätze“ und „Geographische Predigten“. Erstere waren Bestandteil der Zeitschrift „Schacht und Hütte“ die May als ernsthaftes Blatt zur Unterhaltung und Belehrung von Bergarbeitern herausgeben wollte und die von seinem Verleger zu einem durchschnittlichen Unterhaltungsblatt runterreduziert wurde. Die Aufsätze sind aber ganz Mays erstem Ansatz verpflichtet, sehr gut recherchiert, ernsthaft und sachlich. Sie sind nicht in Abenteuergeschichten verpackt wie später seine Erzählungen für die Jugend, sondern als reine Information gedacht, dabei durchaus umfangreich und für den Laien geschrieben ohne anspruchslos zu werden.

Die „Geographischen Predigten“ haben einen eher philosophischen Ton. Das Gedankengut findet man in der einen oder anderen Form auch in seinen Romanen und Erzählungen wieder. Hier ist es gebündelt als ernsthafte Betrachtung und gibt einen guten Einblick in Mays Denken und Fühlen.

Mein Fazit: Eine hochinteressante Zusammenstellung, wobei man sich bewusst sein sollte hier keinen zusammenhängenden Abenteuerroman vorzufinden. Wer May ausschließlich für seine Abenteuer schätzt, wird nach den „Fastnachtsnarren“ keinen weiteren Spaß an diesem Buch haben. Mir gefielen die Predigten und Aufsätze allerdings genauso gut. Ein wunderbarer Einblick in Mays Denken und Fühlen, seine Zeit und die Vorstufen seines Werks. Je mehr ich von ihm und über ihn lese desto mehr finde ich in seinen Werken und entdecke immer wieder neue Seiten an bekannten Abenteuern. Eine klare Leseempfehlung, nicht nur für Fans!