Rezension

Ein kleines Loblied auf das Austricksen! :)

Blinder Feind
von Jeffery Deaver

Rund 250 Seiten lang ging mir beim Lesen von „Blinder Feind“ hauptsächlich folgendes durch den Kopf: „Was zur Hölle ist denn das? Das Buch soll von Jeffery Deaver sein? Ach kommt schon!!“ Die Dialoge und die Figuren entsprachen nicht mal annähernd dem, was ich von einem Deaver gewohnt war, auch die Story wirkte hanebüchen und blieb weit hinter dem Niveau zurück, dass Deaver sonst mit seinen Thrillern vorlegt. Schon der Klappentext passte so gar nicht ins Bild. Ich zitiere: „Doch in einer Hotelbar lernt sie durch Zufall den attraktiven Daniel Reardon kennen.“ Als erstes einmal: Bei einer Personenbeschreibung ist „attraktiv“ so ziemlich das letzte Adjektiv, das man in einem Deaver erwarten kann. Und „durch Zufall“? Bei Jeffery Deaver?? Dieser Autor überlässt in seinen Büchern nichts, aber auch absolut gar nichts dem Zufall. Da hat alles einen Grund, einen Sinn und einen Zweck, selbst der Kugelschreiber in der linken Jackentasche eines Busfahrers. Also was zum Kuckuck war hier los?

Deaver war los und zwar in Hochform, wie sich am Ende des Buches herausstellen sollte. Ich habe mich von diesem rückwärts erzählten Thriller so herrlich austricksen lassen, dass es am Ende einfach nur eine diebische Freude war! Denn alles, was mich während des Lesens gestört hat, wird mit der Auflösung quasi gegenstandslos, denn wie ich schon sagte, bei Deaver gibt es keine Zufälle, alles hat seinen Sinn. Jeder noch so dusselige Dialog. Und die Auflösung, das Ende, das ist, als würde jemand den Lichtschalter umlegen und eine grelle Neonröhre flackert ein, zwei Mal auf, man erahnt die ersten Zusammenhänge, bevor sie dann anspringt und den gesamten Raum in helles Licht taucht, jeder einzelne Schatten ausgeleuchtet und jeder Zweifel an der Story restlos ausgeräumt. Ich fand die Auflösung der Geschichte so klasse, dass ich das Buch am liebsten gleich noch einmal gelesen hätte, nun mit dem Wissen, wie die Geschichte eigentlich tickt. Und so genial ich auch die Idee finde, einen Thriller rückwärts zu erzählen, so gern hätte ich gerade diese Geschichte richtig herum erzählt bekommen, denn sie macht nach der Auflösung eigentlich noch viel mehr Spaß als vorher.

Ein tolles und gewagtes Experiment, bei einem Thriller mit dem Schlussakt zu beginnen und dann die Handlung rückwärts zu spulen. Der Spannungsbogen macht das nicht immer mit, dennoch hatte das Ende des Buches, also der eigentliche Anfang der Geschichte bei mir für Freude gesorgt und wieder einmal zeigt, Deaver ist wirklich erst mit einer Geschichte fertig, wenn er am Ende angekommen ist. Oder eben am Anfang. Ganz wie der Meister es bestimmt! ;)

 

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