Rezension

Ein Könner am Werk. Asylanten: traurig und schön.

Exit West - Mohsin Hamid

Exit West
von Mohsin Hamid

Bewertet mit 5 Sternen

Traurig und schön. Ein Könner am Werk. Aber das Thema regt mich halt immer auf !

Saeed und Nadia. Der erste Satz: „In a city swollen by refugees but still mostly at peace, or at least not yet openly at war, a young man met a young woman in a classroom and did not speak to her.“ In dem Moment, in dem sie aufeinandertreffen, haben beide noch eine Zukunft. Das wird sich ändern.

Diese Stadt wird nicht näher bezeichnet, sie ist von Bergen umgeben, eine hauptsächlich muslimisch geprägte Stadt, die mehr und mehr von intoleranter Miliz übernommen wird. Jede persönliche Freiheit wird ausradiert. Wer kann, geht weg. Flieht. Nicht näher beschriebene „Türen“ öffnen sich in den Westen. Überall. Der Westen wird überflutet.

Der Autor beschäftigt sich mit dem Einbruch anderer Kulturen in den Westen, also Europa, und dessen Folgen. Als exemplarischen Einzelfall zeichnet er den inneren Verlauf einer Beziehung zwischen Mann und Frau, die nur durch Druck äusserer Umstände überhaupt zustande kommt, sich verdichtet und wieder auseinandertriftet.

Was Mohsin Hamids Roman von anderen Romanen dieses Themenkreises unterscheidet, ist seine lyrische Aufarbeitung. Nicht alle Thesen, die seine Protagonisten vertreten oder denken, möchte man so teilen. Türen, die man nie mehr schließen kann? Bewahre!

Die Missstände, die „Exit West“ aufzeigt, weisen ausschließlich in den Westen, und das ist die Kritik: Die Einseitigkeit. Indirekt und natürlich zu Recht angeprangert wird der Umgang mit den Ankömmlingen, all die bekannten Probleme. Man möchte weinen, wenn die Menschlichkeit wieder einmal auf der Strecke bleibt.

Was in „Exit West“ indes fehlt, ist der Hinweis darauf, dass die Misere nicht vom Westen, sondern vom Osten ausgeht und man nicht nur die Frage nach dem Recht im Westen leben zu dürfen stellen darf, sondern fordern muss, dass der Osten seine Probleme in den Griff bekommt, vornehmlich die der Unterdrückung der Frauen, vornehmlich die, die aus der Überhöhung des Islam kommen, aus dem fundamentalistischen Islam.

Doch die Darstellung innerer Vorgänge beschäftigen Hamid noch viel mehr als die äusseren Umstände. Seine Figuren sind Gezeichnete für immer, selbst wenn sich der Roman am Ende versöhnlich zeigt.

„Exit West“ ist vordergründig ein Liebesroman, im Fokus ein Einzelschicksal, und doch werden große Themen aufgelegt. Die lyrische Verarbeitung des Stoffes ist großartig.

Fazit: Leicht wie eine Feder. Dennoch mit Sprengkraft. Einfach große Kunst. Leseempfehlung!

Kategorie: Auf der Shortlist des Man Booker Prize 2017
Verlag: Hamish Hamilton, 2017

Kommentare

Emswashed kommentierte am 14. März 2018 um 07:57

Aktueller Stoff aus der Sicht der "anderen Seite"? Nur schade, dass es dazu noch Bücher auf einer Shortlist bedarf, um darauf aufmerksam zu machen.

Steve Kaminski kommentierte am 14. März 2018 um 09:26

Klingt nach einem lesenswerten Buch - ich sehe, es gibt es ja auch auf Deutsch. Und wieder eine aussagekräftige Rezi, danke! Ein bisschen aufpassen müssen wir m.E. mit sprachlichen Bildern wie "überflutet". Es geht aber nicht um Wassermassen oder Naturgewalten, die einzudämmen sind (wie Populisten u.a. von AfD und CSU suggerieren wollen), sondern um eine Vielzahl einzelner Menschen mit Einzelschicksalen.

PS: Was meinst Du mit lyrisch?

wandagreen kommentierte am 14. März 2018 um 09:31

Da bin ich ganz anderer Meinung: überflutet passt absolut.

Lyrisch, nun poetisch, es ist eine schöne Sprache, fast märchenhafte Anklänge.

katzenminze kommentierte am 14. März 2018 um 19:27

Der erste Satz gefällt mir sehr.

LySch kommentierte am 14. März 2018 um 21:24

Das ist ein englisches Buch, das ich gleichzeitig sehr anstrengend und sehr schön zu Lesen fand... Habe 2/3 glaube ich geschafft, seitdem schlummert es wieder auf dem SuB. Schade eigentlich, aber mich hat die Muse zur Sprache verlassen! :-/ Mal sehen, wann es mich wieder packt - irgendwann muss ich es auf jeden Fall fertig lesen! :)