Rezension

Ein Krieg von Rot und Silber

Die Farben des Blutes, Band 1: Die rote Königin
von Victoria Aveyard

Bewertet mit 4 Sternen

Die Grundidee klingt an sich originell: eine fantastische Dystopie, in der paranormale Fähigkeiten und gesellschaftlicher Status von der Farbe des Blutes abhängen. Oft kam mir das vor wie eine clevere Parabel auf Rassismus und Intoleranz, was ich sehr ansprechend und interessant fand!

Leider hatte das Buch in meinen Augen ansonsten nur wenige neue Ideen zu bieten... Vieles kam mir so vor, als hätte ich es schon in anderen Büchern gelesen - aber dennoch ergibt die Mischung ein unterhaltsames, spannendes Buch!

Mare, unsere Protagonistin, ist keine strahlende, perfekte Heldin, und nach anfänglichem Zaudern fand ich das auch (meistens) gut.

Manchmal will sie mit dem Kopf durch die Wand, überschätzt sich dabei und verwechselt Leichtsinn mit Mut. Sie ist oft wütend und verbittert, und gelegentlich gibt sie sich die Schuld für Dinge, für die sie nichts kann. Mal vertraut sie naiv den falschen Menschen, dann ist sie wieder misstrauisch Leuten gegenüber, die das nicht verdient haben. Aber immer hat sie das Herz am rechten Fleck.

Maven, der jüngere Prinz des silbernen Königshofs, war mir direkt sympathisch. Er ist intelligent, sensibel und offen für gesellschaftlichen Wandel, macht sich sogar stark für die Unterdrückten. Das fand ich sehr bewundernswert! Im Laufe der Geschichte ist er mir immer mehr ans Herz gewachsen.

Cal, der Kronprinz, ist dagegen zwiespältig, hin- und hergerissen zwischen dem Status Quo, der althergebrachten Ordnung seiner Welt, und dem, was sein Gewissen ihm sagt. Die unterdrückten Roten tun ihm leid, aber er sieht vor allem, was eine Rebellion beide Seiten an Verlusten kosten würde. Womit er ja auch nicht ganz unrecht hat - natürlich würde ein Aufstand Tote kosten, und die meisten davon auf Seiten der wehrlosen Roten.

Kylorn, Mares Jugendliebe, wirkte auf mich gegen die beiden Prinzen etwas blass...

Erst habe ich ungläubig aufgestöhnt, als mir klar wurde, dass es hier direkt drei junge Männer gibt, die an Mare interessiert sind! Aber ich fand es dann doch plausibel und passend, was mich selber überrascht hat. Die Liebesgeschichte drängt sich meiner Meinung nach auch nicht zu sehr in den Mittelpunkt, erfreulicherweise. 

Ich rechne der Autorin hoch an, dass sie es ihre Charakteren auch mal gnadenlos scheitern lässt, und dass gute Absichten zu grauenhaften Ergebnissen führen können. Das ist etwas, was ich in Büchern für junge Leser gerne öfter sehen würde! Sogar Mare muss erst herausfinden, wie weit sie im Namen der Revolution gehen will, kann und darf, um nicht zu dem zu werden, was sie bekämpft. 

Der Schreibstil ist ab und an ein wenig unbeholfen und holprig, hat dafür aber auch immer wieder großartige Momente. Vor allem actionreiche Szenen sind gekonnt geschrieben!

Beim Lesen sind mir öfter Dinge aufgefallen, die mir unlogisch oder nicht ganz glaubwürdig erschienen, und das hat mich wirklich gestört. Ich hatte dein Eindruck, dass einfach viel zuviel auf wahnsinnigem Glück oder unglaublichen Zufällen beruhte!

Ich hatte mich schon fast entschieden, dass das Buch deswegen auf keinen Fall mehr als 3 Sterne bekommen würde! Tja, aber dann... Dann passierte, später im Buch, etwas völlig Unerwartetes. Etwas drastisch Unerwartetes, wenn ich nicht einfach nur auf dem Schlauch stand. (Wenn ihr das Buch noch lesen wollt, lasst euch bloß nichts darüber erzählen!)

Es dauerte ein paar Minuten, bis ich meine Kinnlade wieder vom Boden aufgeklaubt hatte und meine Gedanken nicht mehr wie eine kaputte Schallplatte bei "Waaaaaaaaas?!" festhingen. Und dann war ich nicht nur unheimlich erstaunt, sondern auch unheimlich beeindruckt. Erstmal nur wegen der Traute der Autorin, sowas durch zu ziehen - aber dann ging mir auf, wie genial sie das alles geplant hatte, und das auf einmal vieles perfekten Sinn ergab. Mein Gott... Im Geiste ging ich das Buch noch einmal durch und sah es mit ganz anderen Augen!

Nicht alles war für mich damit zufriedenstellend erklärt, aber das meiste. Wenn ihr also beim Lesen auch öfter das Gefühl habt, dass die Dinge nicht glaubhaft sind, wartet erstmal ab!

Fazit:
In einer Welt, in der Menschen mit rotem Blut rechtlose Sklaven sind und Menschen mit silberndem Blut eine Art Herrenrasse mit Superkräften, gerät die junge Mare zwischen die Fronten: denn ihr Blut ist rot, und dennoch hat sie übermenschliche Fähigkeiten...  Um eine Rebellion zu vermeiden, wird Mare gezwungen, sich als langen verloren geglaubte Tochter eines silbernen Adligen auszugeben.

Die Autorin hat den Mut, Charaktere mit echten, gravierenden Fehlern zu schreiben - und sie dann die bitteren Konsequenzen dieser Fehler tragen zu lassen. An einer Stelle hatte ich das Bedürfnis, ihr laut zu applaudieren, denn das Buch enthält eine unglaubliche Wendung, die alleine schon einen Stern wert ist!