Rezension

Ein langweiliges, dazu noch stellenweise übersüßtes und mit einigen Schönheitsfehlern versehenes Massenprodukt

Die Frauen der Rosenvilla - Teresa Simon

Die Frauen der Rosenvilla
von Teresa Simon

Bewertet mit 1 Sternen

Wer einen seichten Frauenroman mit all den typischen Zutaten sucht, bei dem man/frau am besten nicht viel hinterfragt und sich einfach tragen lässt, der/die ist hier richtig.

Anna, eine erfolgreiche Geschäftsfrau mit zwei Läden, die ausgefallene Schokoladenprodukte und Liköre verkaufen, hat ein Problem. Sie hat zwar eine große, schöne Villa, aber keine Familie und Kinder, die sie sich sehnlichst wünscht. Ihre bisherigen Männerbekanntschaften sind zwar da, sagen ihr aber nicht wirklich zu. Sie vermutet bei sich Bindungsangst und ein Prinz, der sie erlösen könnte, ist nicht in Sicht. Bei der Pflanzung der Rosen vor ihrer Villa findet sie eine alte Schatulle voll mit Blättern aus alten Tagebüchern und einige anderen Gegenstände, eine Pistole inklusive. Anna fängt an, die Blätter zu lesen und es wird ihr klar, dass sie aus verschiedenen Zeiten und jeweils anderen Personen stammen. Mit Hilfe von ihrer Freundin Hanka, der gelernten Bibliothekarin und Besitzerin eines Buchladens in der Innenstadt, gelingt ihr nach und nach alle alten Tagebücherblätter zu ordnen und ihnen die darin beschriebenen Ereignisse um die Frauen ihrer Familie zu entlocken. Sie ahnt nicht, dass dieser Fund einen neuen Anfang für sie einläutet.

Es gibt drei Frauenschicksale in der Vergangenheit, die in den Tagebucheinträgen vor der Leserschaft ausgebreitet werden. Der Teil in der Gegenwart mit Anna als Hauptfigur beträgt etwa die Hälfte des Gesamtvolumens. Die andere Hälfte spielt in der Vergangenheit und ist in drei Teile gesplittet: Helen, die ihre Aufzeichnungen Ende des 19.ten Jh. beginnt und Emma, ihre Tochter, bekamen gleich viel Raum, dagegen die Tagebucheinträge von Charlotte aus der Nazizeit und der des 2.ten Weltkrieges, etwas mehr als die Hälfte an Volumen von den Helens/Emmas Einträgen einnehmen. Es wird immer mal wieder zwischen den Zeiten geschaltet, i.e. etwas von Annas Leben in der Gegenwart wird von der Vergangenheit abgelöst, da Anna die Blätter weiterliest. Auf diese Weise lernt sie ihre Vorfahrinnen kennen, ihre Sorgen, Zweifel und Freuden.

Erwartet habe ich eine spannende wie aufregende Geschichte. Bekommen habe ich ein eher durchschnittliches, langweiliges, dazu noch stellenweise übersüßtes und mit einigen Schönheitsfehlern versehenes Produkt, das auf den Geschmack der breiten Masse ausgerichtet, ja dafür konzipiert ist.

Der Roman ist ziemlich einfach gestrickt, die Fäden, die das Ganze zusammengalten, sind ohne Lesehilfe sichtbar. So könnte das Rezept aussehen:

Man nehme ein paar ausgefallene Schokoladensorten, alte Rosenarten, die zu einer malerischen Villa gehören, eine einsame Heldin auf der Suche nach dem Prinzen, einige recht verworrene Frauenschicksale in einer malerischen Stadt mit tragischer Vergangenheit wie Dresden, paar Männer zur Staffage, einen Italiener bitte nicht vergessen, der zur Abwechslung einen Freund und keinen Lover spielt. Verquirle alles ordentlich zwischen vier Zeitebenen miteinander, konstruiere daraus eine Handlung, die die Fetzen halbwegs zusammenhält, und schon gibt es einen neuen Kandidaten auf Bestseller im Genre Frauenroman.

Das Ergebnis dieses Für-den-Markt-Schreibens, zusammen mit dem wenig eleganten Einsatz von typischen Erfolgsfaktoren, ist mir leider zu gewollt, die Effekthascherei zu offensichtlich, die Handlung zu banal. Die Herangehensweise an Frauenroman hat mir leider das Lesevergnügen ordentlich verhärmt. Ich lesen sonst sehr gerne Familiengeschichten, nach diesem Werk überlege ich ernsthaft dem Genre komplett zu entsagen. So etwas macht einfach absolut keinen Spaß.

Ich konnte mich weder auf die Geschichte  einlassen noch ihr ohne Weiteres glauben. Einige handwerkliche Dinge fielen mir dabei negativ auf, da sie das Potential nach oben aufweisen. Wer sich für die eher „technischen“ Dinge nicht interessiert, kann folgenden Punkte einfach auslassen:

-Dialoge werden gerne mal zu Infoversorgung „missbraucht“. Z.B. auf Seite 46 erzählt die langjährige Freundin Emma, dass sie, Emma, eine geübte Schwimmerin ist und auch noch dazu wie alt sie ist. Ein Versuch dies zu kaschieren, blieb leider ein Versuch. Man hätte die Leser mit solcher Art Informationen auch eleganter behelligen können. Dazu müsste man aber etwas mehr nachdenken, was wohl für diese (Billig)-produktion nicht mehr drin war.

-Einige stilistische Fehltritte hätte ich auch am liebsten nicht gesehen: Wortwiederholungen, ein zu aktiver Gebrauch der Hilfsverben, e.g. Auf S. 49, 51 kommt das Verb „war“ öfter als nötig vor. Man hätte dies durchaus im Vorfeld berichtigen können.

-Zu viele „Zufälle“ in der Handlung insgesamt, deshalb kam sie mir zu grob konstruiert vor. Kaum ist der vorbildhafter Italiener, nur ein guter Freund und nebenbei der erfolgreiche Schokoladenhändler, mit der Pastazubereitung bei Anna fertig, schon steht Hanka mit einer Flasche Rotwein vor der Tür. Sie hat weitere Blätter sortiert und diese mitgebracht, nun kann das Lesen der Tagebücher weitergehen. Der Italiener möchte natürlich auch das alles wissen. Er ist wie die dritte Freundin. Zu tun hat er selbstverständlich nichts, obwohl er eigentlich ein Geschäftsmann ist und eine Familie hat. Er lauscht lieber alten Weibergeschichten. So etwas gibt es höchstens bei Rosamunde Pilcher. Ihre Geschichten sind aber Meisterwerke im Vergleich zu diesem Erzeugnis hier. Oder das erste Treffen von Anna und ihrem Zukünftigen. Zeitlich passend, da in der Gegenwart eh nicht viel passiert. Und – welch Überraschung- er ist auch ein großer Fan von Schokolade und Büchern, ansonsten ungebunden und natürlich ein erfolgreicher Geschäftsmann. Oje. In dem Buch ist kaum ein Geschäft und schon sehr erfolgreich, nebenbei gemerkt. Oder noch so ein hilfreicher Zufall, ohne welchen die Auflösung schon schwierig geworden wäre: Mama Siggi wohnt bei zwei alten Damen, erfährt man zu Anfang, und pflegt sie. Dass sie für Anna und ihre Nachforschungen in Sachen Ahnenkunde zum Schluss unverzichtbar sind, ist schon fast selbstverständlich. Das gehört sich so in dieser Konstruktion.

-Übertrieben und somit unglaubwürdig sind manche Ereignisse: Kaum spricht Anna ihren Vater auf Opa Kurt und seine Geschäfte während der Kriegszeit an, schon bekommt der Vater kurz darauf einen Herzinfarkt. Das erinnert an exaltierte Schulmädchen vom Anfang des 20.ten Jahrhunderts, die gerne in Ohnmacht fielen, da es für sie zum guten Ton gehörte. Der Vater hat aber keinen triftigen Grund zu so einer Reaktion. Man lernt auch nach solchen Erlebnissen mit den Nachrichten entsprechend umzugehen, um den Rückfall zu vermeiden. Die Handlung in der Gegenwart brauchte eben etwas, damit da überhaupt mal was passiert. Nun driftete sie ins Melodramatische. Besser als nichts?

-Die Übergänge von den Tagebüchereinträgen zu den Szenen in der jeweiligen Zeit wirkten auf mich zu holprig. E.g. S. 202. Anna liest im Jahr 2013 Tagebucheintrag von Emma aus dem Jahr 1919. Und plötzlich spielt die Handlung im Jahr 1919, man ist in der Szene drin, in der Emma von ihrer Freundin Lou ins Bett gerufen wird. Das geht gut im Film, aber im Buch reißt es einen  aus dem Lesefluss und lässt die Stelle nochmals durchgehen, da man nicht glauben mag, dass man nun plötzlich im Tagebuchgeschehen drin ist. Eigentlich erwartete ich, dass die Handlung im Jahr 2013 weitergehen würde, wenn der Tagebucheintrag zu Ende ist.

-Die Figuren, besonders die Frauenfiguren, fielen zu flach aus. Es wäre schon schwierig, sie auseinander zu halten, wenn die Schrift dies nicht verdeutlichte, i.e. von Frau zu Frau wurden die jeweiligen Einträge in einer anderen Schriftart abgedruckt. Sonst ist es Einheitsbrei an Charakteren. So soll da die angepriesene Stärke sein? Sie hatten nichts anderes im Sinn, als sich den Umständen zu beugen.

Alle Frauen ließen sich auf eine Eigenschaft reduzieren. Ich verzichte auf die Details um Spoiler zu meiden. Anna, die erfolgreiche Geschäftsfrau, wird zum Schluss besonders unglaubwürdig, als sie ihre geliebte Villa, die sie mühsam aus den Ruinen wieder aufgebaut und zum Glanz gebracht hat, wo sie ihre Kinder großziehen wollte, unter fadenscheinigen, aber in etwa hochmoralischen Gründen abgeben will.

Die Männer, mit Ausnahme von Kurt, sind genauso flach und lassen sich mit einem Adjektiv beschreiben, und alle sind schlicht zu gut für diese Welt.

-Die Konflikte, besonders die im Jahr 2013, kamen mir konstruiert und somit unglaubwürdig vor, frei nach dem Motto: Da sollte ein Konflikt hin, also basteln wir einen. E.g. Nach der ersten romantischen wie erfolgreichen Annäherung ist Phil wütend auf Anna. S. 388. Warum eigentlich? Er muss ja die Einstellung seiner Oma nicht teilen. Sie hat ihre Gründe, er wohl weniger. Er hat gerade gute Gründe bekommen, die ihm ermöglichten, gewisse Dinge mit Anna problemlos auszudiskutieren. Ein völlig aus der Luft gegriffener Konflikt.

-Es wird recht viel behauptet und erklärt und wider behauptet und nochmals erklärt, ansonsten wieder zusammengefasst und wiederholt, sei es durch Darstellungen von Charlottes Gedanken, wer sie gezeugt hatte, und Ähnliches, oder Helen mit ihren Sorgen, wie andere Frauenfiguren und ihre Herzschmerzangelegenheiten, damit die wirklich letzte Schlaftüte alles mitgekriegt, z.B. S. 414. Das Geschehen wird in den gewünschten Rahmen gesetzt, just für den Fall, dass man nicht in der Lage ist, eigene Meinung zu bilden: „Was für aufredende Geschichten! Es war noch lange nicht vorbei, sondern ging eigentlich gerade erst richtig los.“ Ich fand sie totlangweilig wie konstruiert.

S. 415: Warum mussten sich die Freundinnen wieder alles nacherzählen? Die Frauenschicksale und die Zusammenhänge sind nochmals im Dialog zusammengefasst worden. Wozu? Sternenklar war alles längst aus den Tagebücheraufzeichnungen.

 S. 424-425 wie 438-439 triefen vor Schmalz, da wollte ich am besten einen Eimer darunter stellen. Phil ist so ein toller, ja perfekter Bursche! Was für Sätze er bringt! Casanova en Perfektion mit freiwilligem Familienanschluss für die glorreiche Zukunft.

Zusammenfassend lässt sich sagen: leider zu melodramatisch, stellenweise zu sehr in die Länge gezogen, hier und dort schlicht und einfach grobe Effekthascherei, e.g. 301 Szene zwischen Emma und ihrem alten Vater. Seine Rede. Zu offensichtlich da, um auf die Tränendrüse zu drücken. In dem Roman bleibt einem wohl kein Klischee erspart.

Was meiner Meinung nach gut geworden ist:

-Die Figur von Kurt. Er ist recht geheimnisvoll und komplex. Man trifft ihn als einen kleinen Jungen von sechs oder sieben Jahren, der Zeuge einer grausigen Szene wird und man verabschiedet sich von ihm, als er alt ist und sein bewegtes Leben hinter sich hat. Das Meiste erfährt man aus den Tagebüchern. Ich hätte ihn mehr agieren gesehen. Behauptungen, Meinungen über ihn mussten leider dies ersetzen.

- Beschreibungen von Rosen, dem Kater in der Buchhandlung, Schokoladeverkostungen, manche Ortschaften und Liebesszenen sind sehr gelungen. Ein Detail, das Schokolade in Kriegszeiten betrifft und hier ausführlich beschrieben wird, war mir nicht geläufig.

-Die Idee an sich fand ich gut, die Umsetzung allerdings leider weniger.

Einen weiteren Stern habe ich für die Leistung des Verlages abgezogen, i.e. für mangelhaftes Lektorat/Korrektorat, das die Schreib-, Stil-, Sachfehler nicht berichtigt hat. In der nächsten Auflage sollten sie nicht mehr da sein, wurde mir versprochen. Ich werde mir aber demnächst gründlich überlegen, ob ich ein weiteres Buch des Verlages so vorbehaltlos wie früher holen werde. Für mich bleiben die Herrschaften in Erinnerung, als jemand, der nicht in der Lage ist, seine Sache ordentlich zu tun.

Fazit: Wer einen seichten Frauenroman mit all den typischen Zutaten sucht, bei dem man/frau am besten nicht viel hinterfragt und sich einfach tragen lässt, der/die ist hier richtig. Mir war er zu flach, zu konstruiert und langweilig. Mit viel Wohlwollen gibt es von mir zwei Sterne und nie wieder Teresa Simon.