Rezension

Ein Leben jenseits des Glaubens

Morgens in unserem Königreich - Gernot Gricksch

Morgens in unserem Königreich
von Gernot Gricksch

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT
Der unkomplizierte Hamburger Jung Arne hat immense Schulden und versucht diese durch seine Arbeit in einem Imbiss abzubauen. Sein Traum war es, in Hamburg eine Bar zur eröffnen, doch sein ach so seriöser Geschäftspartner hat ihn nur abgezockt und hintergangen. Sein eingebrachtes Geld ist weg und damit auch Freundin und Zukunft. Und wäre das nicht schon schlimm genug, fordert der russische Kiezkriminelle Oleksander die 20.000 Euro hohe Kreditsumme zurück, die er Arne geliehen hatte.Von nun an kann Arne nicht mehr klar denken, weil Oleksanders Schuldeneintreiber ihn im Nacken sitzen und zudem herauskommt, dass er seinen Arbeitgeber, Imbissbetreiber Udo, bestohlen hat.Als eines Tages zwei Vertreter der Zeugen Jehovas vor seiner Tür stehen, ergreift den sich bietenden rettenden Strohhalm und findet Unterschlupf bei einem jungen tugendhaften Pärchen, Mathias und Johanna, was die religiöse Gemeinde als Skandal empfindet. 

MEINUNG
"Morgens in unserem Königreich" ist das zweite Buch von Gernot Gricksch, das ich innerhalb kurzer Zeit gelesen habe und das mich restlos überzeugen konnte. 

In diesem 270 Seiten starken Roman prallen zwei Welten aufeinander, die normale und die religiöse Welt. Wer bisher nichts bzw. nur wenig über die Zeugen Jehovas wusste, wird nach der Lektüre um einige Eckpunkte schlauer sein. Diese religiöse Gemeinschaft lebt ein sehr puristisches Leben ohne Wettkampf, Drogen und mit viel Nähe zu Gott. Man lebt unter sich, abgeschlossen von den bösen und undisziplinierten "Weltenmenschen". Arne, die Hauptperson der Geschichte, ist der diametrale Gegenentwurf zu den Zeugen Jehovas. Er lebt in den Tag hinein, lässt sich von Emotionen treiben und zieht das Unglück und die Kriminalität magisch an. Sein Asyl findet bei der Gemeinde geteiltes Echo, vor allem der Älteste und Einflussreichste wittert baldiges Ungemach. Mathias und Johanna hingegen setzen sich für Arne, den Aussätzigen, ein und versuchen einen besseren Menschen aus ihm zu machen. Doch als Johanna und Arne dann noch zarte Gefühle füreinander hegen und Schlägertypen in der Gemeinde auftauchen, um Arne zu drohen, ist nicht nur Arnes Leben in Gefahr. 

Arne als liebenswerter Chaot und Johanna als mildtätige Kämpferin haben mich mitgerissen. Beide haben so ihre Problem mit dem Leben. Während es für Arne vor allem das Geld ist, ist es für Johanna die Religion und der Lebensentwurf. Ihr Verlobter Mathias ist ihr viel zu nett und zu ergeben und vielleicht sogar homosexuell. Sie weiß nicht, ob sie mit ihm, den sie eigentlich gar nicht liebt, eine Familie gründen und für immer zu Hause bleiben sollte. Hinzu kommt, dass ihr Bruder Karsten ADHS hat und vom eigenen alkoholabhängigen Vater deswegen immer und immer wieder geschlagen wird, während Johannas Mutter nur apathisch daneben sitzt. Doch dann kommt Arne ins Spiel und alles ändert sich.

Der Autor hat den Spagat zwischen den beiden Welten sehr fabelhaft gemeistert und sogar noch eine emotionale Komponente mit einfließen lassen. Zudem hat er auch die Machenschaften auf dem Hamburger Kiez sehr lebensnah nachgezeichnet.

Sprachlich konnte mich Gricksch wieder einmal begeistern. Seine Sprache passt sich den handelnden Personen an, wirkt glaubhaft. Mal ist sie, wenn es um Arne geht, witzig bis provozierend und mal ist sie verhalten bis religiös konform, wenn es um die Zeugen Jehovas geht. Dieser Wechsel lässt viel Spielraum für zwischenmenschliche Missverständnisse, aber auch einige heitere Momente. 

FAZIT
Eine unterhaltsame Geschichte mit Tiefgang, Herz und Authentizität. Hier wird alles geboten, was ein guter Roman braucht.