Rezension

Ein lebendiges Stück Zeitgeschichte

28 Tage lang - David Safier

28 Tage lang
von David Safier

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:
1942/1943, Polen. Die 16-jährige Mira lebt mit ihrer Mutter und ihrer 12-jährigen Schwester Hannah im Warschauer Ghetto. Seit dem Tod des Vaters ist die Mutter depressiv und apathisch. So bleibt Mira nichts anderes übrig, als selbst Lebensmittel für ihre kleine Familie zu besorgen. Besorgen - das heißt für Mira schmuggeln. Dabei begibt sie sich täglich in Lebensgefahr. Doch damit nicht genug. Als die Deutschen die Räumung des Ghettos und den Abtransport aller Juden anordnen, gibt es kaum noch Hoffnung am Leben zu bleiben. Letztendlich schließt Mira sich den Aufständischen an.

Meine Meinung:
David Safier hat nach fünf humorvollen Romanen (u. a. „Mieses Karma“, „Plötzlich Shakespeare“) etwas Neues gewagt. Schon seit vielen Jahren hatte er den Wunsch, dieses Buch zu schreiben, und ich bin sehr froh darüber, dass er es endlich getan hat. Denn es ist einfach rundherum gut gelungen! Das Thema liegt dem Autor sehr am Herzen, sind doch seine Großeltern in Buchenwald bzw. im Ghetto von Lodz umgekommen. Ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, dass er genau weiß, wovon er hier schreibt.

Zwar sind die Protagonisten fiktive Personen, doch ist alles, was sie erleben, tatsächlich irgendjemandem damals passiert oder hätte genau so passieren können. Teilweise spielen auch reale Personen eine Rolle wie zum Beispiel Janusz Korczak, der tatsächlich ein Waisenhaus geleitet hat und mit „seinen“ Kindern in den Tod ging.

Trotz des „schweren“ Themas besticht das Buch durch eine gewisse Leichtigkeit im Erzählstil. Das ist sicherlich auch der jugendlichen Ich-Erzählerin Mira geschuldet und hat mir ausgesprochen gut gefallen. So lässt sich das Buch locker lesen, ohne dass man in Depressionen verfällt, obwohl das angesichts des Erzählten zu erwarten wäre. Der Ernst der Lage kommt dabei trotzdem immer zur Geltung. Diese Gratwanderung hat David Safier in meinen Augen hervorragend bewältigt.

Mira ist eine tolle Heldin. Sie ist mutig und hat einen starken Überlebenswillen, doch alles im realistischen Rahmen. Sie hat Schwächen und Fehler. Das macht es so einfach, sich mit ihr zu identifizieren und mit ihr zu leiden, zu bangen und zu hoffen. Ihre Entwicklung von einem jungen Mädchen zur Kämpferin wird plausibel dargestellt.

Mira zur Seite stehen zwei junge Männer, Daniel und Amos. Beide sind ihre Freunde, und ein bisschen spielt auch die Liebe mit. Doch nimmt sie hier zum Glück nicht überhand, zeigt aber, dass auch im Ghetto das Leben zumindest teilweise in gewohnten Bahnen ablaufen kann.

Die Atmosphäre im Ghetto kann man sich sehr gut vorstellen, die Beschreibungen wirken sehr plastisch und lebendig. Die Straßen und Häuser konnte ich beim Lesen direkt vor mir sehen, ebenso die Personen, ob es nun Mira und ihre Familie waren oder die SS-Soldaten, die jüdischen Polizisten… Sie alle erwachten in meinem Kopf zum Leben.

Besonders wichtig erscheint mir die Aussage des „verrückten“ Rubinstein: „Jeder ist frei zu entscheiden, was für ein Mensch er sein möchte.“ (S. 45) Und so zieht sich wie ein roter Faden eine Frage durch den Roman: Was für ein Mensch möchtest du sein? In vielen verschiedenen Situation muss Mira sich entscheiden. Und so sollte man als Leser gleich mit nachdenken und sich fragen: Wie hätte ich gehandelt? Was würde ich in einer solchen Lage tun? Was für ein Mensch will ich sein?

Fazit:
Ein tolles Buch, ein wichtiges Buch, das die Tage des Widerstands im Warschauer Ghetto lebendig werden lässt und dafür sorgt, dass die Gräuel nicht so schnell vergessen werden.

Ich möchte dieses Buch uneingeschränkt allen Lesern ab etwa 14 Jahren empfehlen. Auch als Schullektüre könnte ich es mir gut vorstellen.